SPD und Grüne wollen Krankenversicherung umkrempeln – Beiträge sollen deutlich steigen
Um mehr Geld in die Kassen der Krankenversicherungen zu spülen, wollen SPD und Grüne die Beiträge deutlich erhöhen. Die FDP ist strikt dagegen und will stattdessen Leistungskürzungen.
Berlin – Das Geld reicht in der Ampel-Koalition hinten und vorne nicht, der Finanzminister hat den Schlüssel zur Kasse und gibt ihn so leicht nicht her. Der Streit in der Koalition dreht sich mittlerweile hauptsächlich um den Haushalt und darum, wie die vielen Vorhaben der Regierung bezahlt werden sollen, wenn zugleich die Schuldenbremse eingehalten wird. Neuster Streitpunkt ist nun: die Krankenversicherung. Einem Medienbericht zufolge wollen SPD und Grüne die Beiträge deutlich erhöhen, damit der Gesundheitsminister seine Pläne umsetzen kann.
Krankenversicherung: Es geht um die Beitragsbemessungsgrenze
Dreh- und Angelpunkt der Diskussionen ist die sogenannte Beitragsbemessungsgrenze. Diese Grenze legt fest, bis zu welchem Bruttoeinkommen ein Arbeitnehmer in der gesetzlichen Krankenkasse versichert sein muss. Wer mehr verdient, darf sich auch privat versichern lassen, ausgenommen sind hier Beamte, die immer privat versichert werden. Bis zur Beitragsbemessungsgrenze steigen die Beitragssätze gestaffelt an. Wer also mehr Geld verdient, zahlt auch mehr ein.
Aktuell liegt bei den Krankenversicherungsbeiträgen die Beitragsbemessungsgrenze bei 4987,50 Euro brutto im Monat. Der maximale Betrag, den Arbeitnehmende für die Krankenkasse abgeben müssen, beträgt 488,78 Euro. Arbeitgebende zahlen immer genauso viel wie die Arbeitnehmenden, es wird 50-50 aufgeteilt.
Deutliche Erhöhung der Bemessungsgrenze hat große Auswirkungen
SPD und Grüne wollen die Beitragsbemessungsgrenze dem Handelsblatt zufolge deutlich erhöhen, auf 7100 Euro in Ost- und 7300 in Westdeutschland. Das ist auch die Beitragsbemessungsgrenze bei der Rentenversicherung.
Das Vorhaben hätte direkt folgende drei Auswirkungen:
- Die Zahl derer, die sich privat versichern dürften, würde deutlich sinken
- Die Beitragssätze würden für Besserverdienende deutlich steigen
- Die gesetzlichen Krankenkassen würden 13 Milliarden Euro mehr haben
Der Wirtschaftsweise Martin Werding sagt gegenüber dem Handelsblatt, dass die Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze auf diese Höhe dazu führen würde, dass Spitzenverdienende im Monat 220 Euro mehr in die Krankenkasse einzahlen müssten. Und nicht nur die: Die Arbeitgebenden müssten den gleichen Beitrag bezahlen, die Belastung träfe also auch Unternehmen.
SPD und Grüne verteidigen den Plan und schießen gegen die FDP
SPD-Fraktionsvize Dagmar Schmidt verteidigte die Pläne: Irgendwie müssten die gesundheitspolitischen Reformen bezahlt werden. Dazu gehören die umstrittene Pflegereform, aber auch eine vom Gesundheitsminister angestrebte Klinikreform. „Der Finanzminister sieht sich derzeit nicht in der Lage, dafür Mittel bereitzustellen“, so Schmidt. „Weil Leistungskürzungen keine Alternative sind, müssen wir die Einnahmen der Sozialversicherung verbessern.“
„Wir befinden uns derzeit in einer Sackgasse, da sich der Bundesfinanzminister zugleich gegen höhere Steuerzuschüsse und Beitragssätze sperrt“, sagt auch die Grünen-Fraktionsvize Maria Klein-Schmeink.

Aus der Opposition kommt ebenfalls Zustimmung für die Erhöhung der Beiträge. Man wolle zwar eine Belastung der Bürgerinnen und Bürger vermeiden, so Sepp Müller von der CDU. Doch auch die Union erkennt das Problem an: In diesem Jahr fehlen den gesetzlichen Kassen voraussichtlich acht Milliarden Euro.
Ausblutung der privaten Krankenversicherung
Neben der FDP gibt es aber noch einen großen Gegner der Forderungen: die privaten Krankenversicherungen. Ihnen droht mit der Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze der Verlust von Millionen Neukunden. Aktuell besteht die Hälfte der privat Versicherten aus Beamten, die zweite Hälfte jedoch aus Angestellten und Selbstständigen, die sich aktiv für die private Versicherung entschieden haben. Diese Gruppe würde künftig nur noch aus absoluten Top-Verdiendenen bestehen.
Aus Sicht der PKV ist das Vorhaben eine „Bürgerversicherung durch die Hintertür“. Auch der Wirtschaftsweise Werding sagt dem Handelsblatt, dass die private Versicherung damit „ausbluten“ würde. Diese Einschätzung ist auch nicht von der Hand zu weisen, schließlich haben sowohl SPD als auch Grüne im Wahlkampf für eine Bürgerversicherung und eine Abschaffung der privaten Krankenversicherung gekämpft. In den Koalitionsverhandlungen wurde diese Forderung dann fallengelassen.