Mieterhöhung für Rentner: Wissenschaftler macht radikalen Vorschlag – und verteidigt ihn

Ein Regensburger Wissenschaftler schlägt vor, Altmieten zu erhöhen, um so vor allem Rentner zum Umzug in kleinere Wohnungen zu bewegen. Das sorgt für Aufruhr – er verteidigt aber seine Idee.
Berlin – Schon das erste Mal, als Steffen Sebastian den Vorschlag brachte, kam er nicht gut an. Trotz der Kritik und der vehementen Ablehnung der Idee in politischen Kreisen steht der Gründungsdirektor des Center of Finance an der Universität Regensburg dazu: Um die Wohnungsnot zu bekämpfen, muss es einen Systemwechsel geben, sagt er in einem Gespräch mit der Welt. Wer in zu großen Wohnungen lebt, der sollte dazu „motiviert“ werden, in kleinere zu ziehen, um Platz zu schaffen für wohnungssuchende Familien. Die Motivation? Mieterhöhungen in Wohnungen mit Altverträgen.
Ökonom spricht Klartext: Staat muss aufhören, niedrige Mieten zu schützen
Steffen Sebastian ist Wirtschaftsprofessor an der Universität Regensburg. Er berät auch die Bundesregierung. Er sagt, dass Deutschland eigentlich keine Wohnungsnot hat, es gebe genug Wohnraum für alle. Nur sei der eben falsch verteilt.
Das Problem sei aber nicht, dass ältere Menschen unbedingt in ihren großen Wohnungen leben wollen. Vielmehr sehen sie sich gezwungen, dort zu bleiben, da die Mieten im Umfeld so sehr angestiegen sind, dass eine kleinere Wohnung noch teurer wäre. Das können sich viele Rentner einfach nicht leisten. Also bleiben sie in den zu großen Wohnungen, während junge Familien keine geeignete Wohnung finden.
Daran würde Steffen Sebastian etwas ändern wollen: Die Altmieten sollten seiner Meinung nach nicht so niedrig bleiben dürfen. Wer das Geld hat, in einer großen Wohnung zu bleiben, sollte das weiterhin dürfen. Aber es muss auch was kosten, findet er. „Es kann doch nicht sein, dass der Staat Menschen extrem schützt, die ohnehin seit Jahrzehnten eine geringe Miete zahlen, egal ob sie bedürftig sind oder nicht. Und andere finden partout keine bezahlbare Wohnung“, sagt der Ökonom der Welt. „Unser Vorschlag lautet: Unterstützung von Mietern mit niedrigen Einkommen statt Unterstützung von Mietern mit niedrigen Mieten.“
Mieterbund schlägt vor: Wohnungstausch rechtlich verankern
Tatsächlich wurde in Deutschland immer wieder festgestellt, dass vor allem Familien mit Kindern in beengten Wohnungen leben, während viele Rentner in zu großzügigen untergebracht sind. Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln stellte im Januar in einer Studie fest, dass rund sechs Prozent der Haushalte in Großstädten zu beengt leben, während ebenfalls 6 Prozent in zu großen Wohnungen leben. Bei Haushalten mit Personen über 70 Jahren waren es sogar 9 Prozent, die zu großzügig leben. Auch das IW konkludierte daher, dass der Wohnungstausch möglicherweise Abhilfe schaffen könnte.
Es gibt auch andere Stimmen, die den Vorschlag des Regensburger Professors grundsätzlich gutheißen. Manche haben aber andere Ideen, wie man die Umverteilung der Wohnungen organisieren könnte. So schlägt Matthias Günther von Pestel-Institut vor, dass Personen, die in größeren Wohnungen leben, eben mehr Steuern zahlen sollten.
Der Deutsche Mieterbund ist gegen Mieterhöhungen jeglicher Art, allerdings sehen auch sie das Potenzial im Wohnungstausch. Der Mieterbund schlägt daher vor, den Wohnungstausch rechtlich zu verankern, sodass jede Person, die in eine kleinere Wohnung ziehen will, das Recht hat, das zu tun – und zwar zum gleichen Mietpreis, den sie jetzt schon bezahlt. Der Tausch könnte aus öffentlichen Mitteln gefördert werden, so die Idee.
Politik setzt auf Wohnungsbau – der aktuell aber nicht stattfindet
Dass die Idee der Regensburger Forscher politisch umgesetzt wird, ist äußerst fraglich. Denn in keiner einzigen Partei kommt der Vorschlag gut an – schließlich wissen die Politiker, wie unliebsam er wäre. Doch wie man die Wohnungsnot in Deutschland lösen könnte, dafür gibt es keine revolutionären Ideen in der Politik. Stattdessen wird immer weiter auf den Wohnungsbau gesetzt, der aktuell jedoch in einer tiefen Krise steckt.
Beim diesjährigen Wohnungsbau-Tag in Berlin warnten Experten aus allen Bereichen der Branche vor einem kompletten Stillstand auf dem Bau, wenn sich politisch nicht schnell etwas ändere. Die Kosten und Hürden seien mittlerweile so hoch, dass sich der Neubau nicht mehr lohne – außer man baut, um später zu exorbitanten Preisen zu vermieten.