„Gruselvorschlag“: Renteneintritt an Lebenserwartung koppeln? Was dafür spricht – und was nicht
Die CDU hat einen Plan: Da die Lebenserwartung steigt, sollen Arbeitnehmer später in Rente gehen. Die SPD kritisiert die Idee. Welche Punkte dennoch dafür sprechen.
Berlin – Sie ist in aller Munde. Weil jeder sie haben will. Dann, wenn das Arbeitsleben dem Ende zugeht und die Rente winkt. Für die Zeit als Rentnerin oder Rentner braucht es logischerweise den einen oder anderen Euro, um so gut wie möglich leben zu können. Doch nicht nur deshalb ist die Rente medial gerade omnipräsent. Sondern auch aus dem Grund, dass immer wieder über einen späteren Eintritt ins Rentenalter diskutiert wird. Auch außerhalb Deutschlands. In Frankreich etwa, wo es Proteste gegen die Rentenreform gibt.
Dort möchte Präsident Emmanuel Macron das Renteneintrittsalter erhöhen, ihm weht dabei eine Menge Gegenwind aus der Bevölkerung entgegen. In Deutschland steigt das reguläre Renteneintrittsalter je nach Geburtsjahr schrittweise auf 67 Jahre an. Doch auch hierzulande sind Änderungen überfällig, sagen Ökonomen. Auf genau diesen Zug springt nun auch die CDU auf. Sie schielt offenbar hinter noch vorgehaltener Hand wieder einmal auch auf die Rente mit 70, während sich schon 2023 etwas für Rentner geändert hat.
Doch warum sollen wir alle länger arbeiten und sich das Renteneintrittsalter erhöhen? Warum ergibt das Sinn?
Später in Rente? CDU will Renteneintrittsalter an steigende Lebenserwartung koppeln – und damit erhöhen
Der Reihe nach: „Für jedes Jahr mehr Lebenserwartung sollte das Renteneintrittsalter um acht Monate steigen“, hat vor nicht allzu langer Zeit die Wirtschaftsweise Monika Schnitzer im Interview mit IPPEN.MEDIA vorgeschlagen. Genau das ist auch das Ansinnen der CDU, wenn es um die Rente – so viel bekommen Sie, wenn Sie nie gearbeitet haben – und das Renteneintrittsalter geht. Ein Entwurf der Fachkommission Soziale Sicherung, über den die Bild-Zeitung berichtet hat, greift beim Thema Renteneintrittsalter den Vorschlag der Wirtschaftsweisen auf. Die Renten-Rechnung der Christdemokraten ist dabei ganz einfach: Die CDU schlägt vor, das Renteneintrittsalter an die steigende Lebenserwartung zu koppeln – und damit zu erhöhen.
Noch länger arbeiten bedeutet nichts anderes als eine Rentenkürzung
Ab 2031 wolle die CDU „die Regelaltersgrenze im Verhältnis eins zu zwei an die Lebenserwartung koppeln“, heißt es in dem Papier der CDU, über das unter anderem die Welt berichtete. Dabei soll für jedes Jahr längere Lebenserwartung der Rentenbeginn um vier Monate nach hinten verschoben werden. Der Protest gegen die Verschiebung des Alters, in dem Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland in Rente gehen, ist groß – und kommt in erster Linie von der SPD. Der Vorschlag, so Katja Mast, Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, sei unsozial. „Noch länger arbeiten bedeutet nichts anderes als eine Rentenkürzung“, sagte Mast der Rheinischen Post.
SPD-Kritik an CDU-Vorschlag zum Renteneintrittsalter: Koppelung an Lebenserwartung unsozial – „bedeutet nichts anderes als Rentenkürzung“
Menschen mit geringem Einkommen hätten, wie Mast gegenüber der Rheinischen Post anführt, zudem auch eine geringere Lebenserwartung. „Die Antwort der CDU: Sie sollen länger arbeiten. Volkspartei geht anders“, schießt die SPD-Politikerin bei der Frage nach dem Eintrittsalter für die Rente gegen die CDU. Gleichwohl gibt es auch Gründe, die dagegen sprechen, die Idee der CDU für einen späteren Eintritt in die Rente, von vornherein zu verteufeln, wie die Bild auflistet.

Punkt eins der Bild-Argumentation für den Vorschlag der CDU, das Renteneintrittsalter an die Lebenserwartung zu koppeln und es damit zu erhöhen: Die Rente – so viel müssen angehende Rentner verdienen, um 2500 Euro Rente im Monat zu bekommen – müsse tagtäglich von den Beschäftigten erarbeitet werden. Es gebe immer weniger Arbeitnehmer, die in die Rentenkasse einzahlen, im Gegenzug aber viel mehr Rentnerinnen und Rentner, die Rente kassieren. Immer weniger Arbeitnehmer müssten daher immer mehr Rentner finanzieren. Ein Unterfangen, das dauerhaft nicht gut gehen könne. Zudem spreche auch die zunehmende Lebensdauer der Menschen in Deutschland für eine Verschiebung des Renteneintrittsalters auf einen späteren Zeitpunkt.
Renten-Diskussion: Welche Gründe für Koppelung des Renteneintrittsalters an Lebenserwartung sprechen – und wie MInister Hubertus Heil reagiert
Die Rechnung der Bild dazu: Deutsche Männer werden im Schnitt 78,5 Jahre alt. Frauen sogar 83,4 Jahre. Im Schnitt beziehen Frauen 24,6 Jahre Rente. Männer 18,8 Jahre lang. Das sind bei den Frauen fünf Renten-Jahre mehr als noch 1995, bei den Männern sogar sieben Jahre. Da das offizielle Renteneintrittsalter im selben Zeitraum nur um anderthalb Jahre gestiegen ist, heißt dies: Arbeitnehmer zahlen nicht nur für eine zunehmende Zahl an Rentnern, sondern sie zahlen auch immer mehr. Zudem führt Bild als Argument dafür, dass Menschen in Deutschland später in Rente gehen sollen, den akuten Personalmangel an, der Wachstum und Wohlstand koste. Beides wiederum benötige das Land, um den Sozialstaat zu finanzieren.
Wo liegt das Renteneintrittsalter in Deutschland?
Die Altersgrenze für die Regelaltersrente ohne Abschläge wird bis 2031 schrittweise auf 67 Jahre angehoben. Angefangen mit dem Geburtsjahrgang 1947, wird die Altersgrenze bis 2023 um jährlich einen Monat angehoben. Diese Jahrgänge dürfen früher in den Ruhestand gehen. Ab 2024 wird die Altersgrenze beginnend mit dem Geburtsjahrgang 1959 in 2-Monats-Schritten angehoben. Für Versicherte ab Jahrgang 1964 gilt dann die Regelaltersgrenze von 67 Jahren.
Quelle: Deutsche Rentenversicherung
„Die CDU muss die Debatte führen, muss sie aushalten. Die anderen Parteien ducken sich an der Stelle alle weg. Wenn man eine Überzeugung hat, muss man voll in die Debatte gehen und sie verteidigen – das ist für mich selbstverständlich“, verteidigt der stellvertretende Parteichef Carsten Linnemann via Spiegel die CDU-Idee zur Rente. „Die CDU-Vorstellungen zur Rente sind ein Schlag ins Gesicht vieler hart arbeitender Menschen in Deutschland“, kontert Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) via Bild und schiebt nach: „Offenbar sind die Konservativen sehr weit weg vom Lebensalltag der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Als CDU-Funktionär kann man sicherlich bis 70 arbeiten – Paketboten, Erzieherinnen, Stahlarbeiter oder Pflegekräfte können das aber nicht.“