Chef der Steuer-Gewerkschaft schlägt Alarm: „Wäschekörbeweise Einsprüche zur Grundsteuer“
Immer mehr Grundeigentümer legen Einspruch gegen die neue Grundsteuer ein. Das führt bei den Finanzbehörden zu Chaos, sagt der Vorsitzende der Deutschen Steuer-Gewerkschaft.
München – Die Grundsteuerreform hat viele Grundeigentümer Nerven gekostet. Ursache war die Komplexität der neuen Erklärung und die vielen Daten, die angefordert wurden. Mittlerweile wurde ein Großteil der 36 Millionen Erklärungen abgegeben und die ersten Grundsteuermessbescheide versandt – doch jetzt folgt das nächste Problem. In vielen Bescheiden fallen die Werte deutlich höher aus und etliche Eigentümer sorgen sich nun um einen starken Anstieg der Grundsteuer. Die Finanzämter kommen der Flut an Einsprüchen nicht mehr hinterher.
Grundsteuer: Drei Millionen Einsprüche laut DStG-Schätzung
Laut dem Bundesvorsitzenden der Deutschen Steuer-Gewerkschaft (DStG), Florian Köbler, bewegt sich die Zahl der Einsprüche mittlerweile auf die drei Millionen zu. Eine genaue Zahl kann er nicht benennen, da aufgrund der Menge an Einsprüchen teils sogar Erfassung der Schreiben auf der Strecke bleibt. „Die Situation ist momentan drastisch und hat sich in den vergangenen Tagen explosionsartig entwickelt“, erklärt er im Gespräch mit IPPEN.MEDIA. Ursprünglich hatte die DStG mit einer Einspruchsquote von fünf bis zehn Prozent gerechnet. „Die Realität ist momentan, dass wir einige Ämter haben, in denen die Einspruchsquote bei über 20 Prozent liegt“, so Köbler.
Die hohe Einspruchsquote sorgt bei den zuständigen Behörden für Chaos. „Die Einspruchsschreiben kommen wäschekörbeweise in die Finanzämter rein und werden in einigen Ämtern einfach zur Seite gelegt, weil man nicht mehr nachkommt. Die Situation ist dramatisch“, schildert Köbler die Lage. Die DStG habe bereits „Hilferufe aus den Ämtern bekommen.“

Grundsteuer: „Jeder Einspruch geht zulasten der Steuergerechtigkeit“
Was ihn besonders ärgert: Die Grundsteuer ist eigentlich Sache der Kommunen. „Wir sind wie die heiligen Samariter unterwegs und helfen den Kommunen dabei“, sagt der Gewerkschaftsvorsitzende. Hinzu kommt, dass dem Staat dadurch andere Steuereinnahmen durch die Lappen gehen. „Wir setzen wegen der Grundsteuer ganz viele tolle Prüfer in der Grundsteuersachbearbeitung ein. Es müssen sich zum Teil Konzern-Betriebsprüfer, die normalerweise Millionen Mehr-Steuern jedes Jahr reinholen, jetzt mit dieser komischen Grundsteuerreform beschäftigen“, sagte Köbler. „Jeder Einspruch geht auch ein kleines Stück weit zulasten der Steuergerechtigkeit. Das ist die Realität“
Zudem ist er davon überzeugt, dass die Einsprüche „vollkommen sinnlos“ seien. Bei den Einsprüchen wird sich in der Regel darauf berufen, dass das neue Grundsteuermodell verfassungswidrig sei. Für die Klagen, welche teils vom Bund der Steuerzahler (BdSt) und dem Verband Haus & Grund beim Verfassungsgericht landen, sieht Köbler ein Szenario als am wahrscheinlichsten an: Demnach würde das Gericht dann Ungereimtheiten im Gesetz feststellen und ein Reparaturgesetz anfordern. Dieses würde dann aber nicht rückwirkend gelten und für die Zukunft alle Grundbesitzer betreffen – also auch die, die jetzt keinen Einspruch einlegen.

Grundsteuer: „Wenn die Hebesätze nicht angepasst werden, wird es teurer werden“
Zudem sieht er bei vielen Grundeigentümern den falschen Ansporn für den Einspruch. „99 Prozent der Leute, die jetzt Einspruch einlegen, machen das, weil sie Angst haben, dass es teurer wird.“ Doch am Ende entscheiden die Hebesätze der Kommunen über die endgültige Höhe. Heißt also: Nur weil der Grundsteuermessbetrag in den derzeit versandten Bescheiden zehnmal so hoch ist wie vor der Reform, bedeutet das nicht automatisch einen Anstieg der Grundsteuer um diese Höhe.
Köbler würde sich hier wünschen, dass die Kommunen die Bürger beruhigen. Schließlich hatten diese vor Beginn der Reform versprochen, dass mit der Grundsteuer danach keine höheren Einnahmen erzielt werden sollen. „Mir ist auch klar, dass sich da einige Kommunen im Moment leider nicht mehr erinnern wollen“, kritisiert Köbler. Er weiß: „Wenn die Hebesätze nicht angepasst werden, wird es in vielen Kommunen teurer werden.“ Doch das ist Aufgabe der Kommunen. Zuvor müssen die Finanzämter die Flut an Einsprüchen bewältigen. Hier setzt der Vorsitzende ganz klar auf das Motto: „Augen zu und durch. Das Projekt müssen wir jetzt zu Ende bringen.“ (ph)