ifo-Ökonom wünscht sich mehr Schülerpraktika: „Die Not bei den Betrieben ist groß“
Die Berufswahl ist für viele Schülerinnen und Schüler eine große Herausforderung. Praktika können hierbei eine wertvolle Hilfe sein – auch für Unternehmen.
München – Nach dem Schulabschluss steht jungen Menschen eine der wohl wichtigsten Entscheidungen ihres Lebens bevor: Was möchte ich danach arbeiten? Doch viele sind sich dessen überhaupt nicht bewusst. Das führt besonders an Universitäten dazu, dass zahlreiche Studierende ihr Studium abbrechen. Im Jahr 2020 haben 28 Prozent der Bachelor-Anfangsjahrgänge 2016 und 2017 ihr Studium abgebrochen. Das zeigt eine Studie des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW). Eine beträchtliche Zahl – die vielleicht durch bessere Berufsorientierungsangebote verringert werden könnte.
Berufsorientierung: Besonders Praktika von Bedeutung
Welchen Beruf Schülerinnen und Schüler nach ihrem Schulabschluss wählen, ist auch davon abhängig, wo sie sich zu den verschiedenen Berufen informieren. Eine Umfrage des DZHWs zufolge kommt die größte Unterstützung für Abiturienten bei der Berufswahl immer noch von den Eltern und von Freunden. Doch wo stehen die Betriebe in diesem ganzen System?
Das wurde unter anderem bei der diesjährigen Vorstellung des Gutachtens des Aktionsrats Bildung am Mittwoch (3. Mai) in München diskutiert. Unter den renommierten Bildungswissenschaftlern und Ökonomen herrschte Einigkeit, dass auch die Berufsorientierung im Bildungssystem verankert werden muss. Besonders Praktika sind hierbei ein wichtiger Baustein für Schüler, um herauszufinden, in welchem Bereich sie sich wohlfühlen und um erste Erfahrungen sammeln zu können.
ifo-Ökonom: „Proaktiv Schüler für Praktika anwerben“
Auch Professor Ludger Wößmann, Leiter des ifo Zentrums für Bildungsökonomik, weiß von der großen Bedeutung von Praktika in der schulischen Ausbildung. „Wenn die Betriebe jetzt alle händeringend nach Fachkräften suchen, dann ist es doch am besten, sich auf den Weg in die Schulen zu machen und dort proaktiv Schüler für Praktika anzuwerben. Sie sollten nicht darauf warten, dass sich Jugendliche bewerben, weil die meisten den Beruf möglicherweise gar nicht kennen“, sagte der Co-Autor des Gutachtens zum Thema „Bildung und berufliche Souveränität“ am Rande der Veranstaltung gegenüber Merkur.de.
Auch die Schulen seien laut Wößmann darauf angewiesen, dass sich die Unternehmen selbst beim Thema Berufsorientierung einbringen. „Das kann auch jeder kleine Malerbetrieb machen“, so Wößmann. Nur so könne man Nachwuchs finden und die Jugendlichen für den Job begeistern. Es müssten selbst Arbeiter aus verschiedensten Berufen in die Schulen kommen und von ihrem Arbeitsalltag berichten. Dies würde das Ganze deutlich greifbarer machen als Eignungstests bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) oder Informationsveranstaltungen, die lediglich mit Theorie aufwarten können. „So hat man viel bessere Chancen, jemanden zu finden und für diesen Beruf zu inspirieren“, ist sich Wößmann sicher.

Mehr Praktika für Schüler: „Hürde ist noch relativ hoch“
Der Ökonom ist sich jedoch bewusst, dass Schülerpraktika auch Aufwand für die Betriebe bedeuten – zumindest, sofern die Praktikanten gut eingeführt werden und nicht nur – ganz nach Klischee – Kaffee kochen sollen. „Die Hürde ist immer noch relativ hoch. Aber die Not bei den Betrieben ist groß. Gerade kleinere Betriebe wissen, dass sie sonst irgendwann dicht machen können“, so Wößmann.

Daher gehen inzwischen schon mehr Betriebe aktiv auf Nachwuchs-Suche und bieten Praktika an. Der Fachkräftemangel ist hier ein großer Hebel und auch eine Chance für Schüler. Denn „je größer die Not wird, Fachkräfte zu finden, desto mehr werden Unternehmen bereit sein, den Aufwand einzugehen und Praktika anzubieten“, erklärt Wößmann. (ph)