Neue Corona-Mutante entdeckt: Steigt wieder die Inzidenz in Großbritannien?
Der Inzidenzwert in Großbritannien fällt endlich. Doch mit einem Ausbruch der Corona-Variante könnte sich das Leben ohne Covid-19-Regeln wieder in Luft auflösen.
London/Oxford – Bis vor wenigen Tagen kannte die Kurve des Corona-Inzidenzwertes in Großbritannien nur eine Richtung und die war nach oben. Doch seit gut fünf Tagen scheint sich die Lage im Vereinigten Königreich etwas zu entspannen mit Blick auf SARS-CoV-2. Aber der Schein könnte trügen, eine neue Variante von Covid-19 ist bereits auf dem Vormarsch: die Variante B.1.621. Entscheidend ist jetzt das Impfverhalten in UK.
Königreich in Europa: | Großbritannien |
Fläche: | 243.610 Quadratkilometer |
Einwohner: | 66,8 Millionen (Stand: 2019) |
Regierungschef: | Boris Johnson (Conservative Party) |
Staatsoberhaupt: | Queen Elizabeth II |
Aktuell liegt die 7-Tage-Inzidenz, also die Anzahl der Infektionen innerhalb von sieben Tagen hochgerechnet auf 100.000 Einwohner, am Dienstag, 27. Juli 2021, in Großbritannien bei 371,8. Zum Vergleich: Am Donnerstag, 22. Juli 2021, lag der Wert mit 492,1 noch knapp unter der Schwelle von 500.
Inzidenz in Großbritannien: Weniger Covid-19-Infektionen – fast 55 Prozent aller Briten sind komplett geimpft
Registriert wurden am Dienstag 24.932 Neuinfektionen und 14 neue Todesfälle. Rund 69 Prozent aller Bürger wurden inzwischen das erste Mal gegen Covid-19 geimpft, zirka 55 Prozent haben inzwischen den vollen Schutz. Momentan sind in Großbritannien 5001 Personen hospitalisiert, 699 der Patienten müssen auf einer Intensivstation behandelt werden.
Da kommt die Entdeckung der neuen Variante B.1.621 zur Unzeit in Großbritannien, hat man doch – zumindest im englischen Landesteil – vergangene Woche am „Freedom Day“ fast alle Corona-Regeln aufgehoben. Bisher konnten die britischen Gesundheitsbehörden die neue Variante von SARS-CoV-2 in mindestens 16 Fällen nachweisen, Tendenz steigend. Doch die britischen Experten der Gesundheitsbehörde Public Health England (PHE) gehen davon aus, dass die Impfungen trotz allem gegen diese Variante schützen*.
Neue SARS-CoV2-Mutante in Großbritannien entdeckt: Bisher kein schwerer Krankheitsverlauf erwartet
Die Variante soll auch keinen schwereren Krankheitsverlauf bringen, heißt es. Zuerst aufgetreten und nachgewiesen wurde die Variante B.1.621 in Kolumbien*. Das passt auch zu der Tatsache, dass die bisher bestätigten Fälle allesamt im Zusammenhang mit Auslandsreisen aufgetreten sein sollen. Auch aus diesem Grund soll es aktuell keinen Hinweis darauf geben, dass sich die Variante im Land verbreitet, so die einhellige Expertenmeinung.
Aktuell untersucht die Gesundheitsbehörde die neue Variante im Labor. Dadurch wollen die Experten herausfinden, wie der Einfluss der Variante B.1.6.21 auf das ursprüngliche Virus ist. Aus diesem Grund wird auch die Kontaktverfolgung intensiviert und gezielte Coronatests eingesetzt, berichtet rtl.de.

Inzwischen haben Forscher der Universität Oxford herausgefunden, wie sich die Variante B.1.1.7 – besser bekannt als Alpha-Variante – trotz des monatelangen Lockdowns im ganzen Land so rasant ausbreiten konnte. Laut einem Bericht des Ärzteblattes breitete sich die Variante zunächst von der Grafschaft Kent aus nach London aus. Von dort kam es dann zur weiteren Verbreitung im gesamten Land. Schuld sollen mehrere Superspreader-Events sein.
Da sich die Alpha-Variante in verschiedenen Bereichen vom damaligen Wildtyp unterscheidet, vermuten Experten, dass sie im Körper eines sogenannten immunsupprimierenden Patienten entstanden ist. Bei einer Immunsuppression wird das körpereigene Abwehrsystem (Immunsystem) unterdrückt – entweder durch eine Krankheit, erhöhte Belastung oder gezielt mit Medikamenten – etwa nach einer Organtransplantation. Allein die Identität des Patienten Null ist nicht bekannt.
Ausbreitung der Alpha-Variante von Corona: Von Kent aus über London ins ganze Land
Als die Mutation das erste Mal auftrat – also um den 20. September des vergangenen Jahres herum – befand sich Großbritannien in keinem Lockdown. Folglich konnte sich die Variante ungebremst im ganzen Land ausbreiten. Lediglich in einigen Regionen des Landes gab es damals Einschränkungen.
Da die Grafschaft Kent nahe an London liegt und Heimat vieler Hauptstadt-Pendler ist, gehen die Wissenschaftler der Universität Oxford derzeit davon aus, dass dies der Hauptgrund für die schnelle Verbreitung in Richtung London sein könnte. Trotz des Lockdowns, der am 5. November 2020 in Kraft trat, konnte sich die Variante so von der Hauptstadt aus im restlichen Land verbreiten.
Weniger Covid-19-Infektionen in Großbritannien: Impfungen könnten verantwortlich sein
Warum also sinken die Infektionszahlen im Vereinigten Königreich derzeit wieder rapide? Eine neuentdeckte Mutation und gefallene Corona-Beschränkungen müssten eigentlich genau das Gegenteil erwarten lassen.
Das könnte laut Experten zum einen daran liegen, dass die Anzahl der Corona-Tests massiv reduziert wurde. Wie die deutsche Ausgabe des Business Insider berichtet, ist die Menge der Tests seit März extrem rückläufig. So sollen in den vergangenen Wochen rund neun Prozent weniger Tests gemacht worden sein als zuvor. Aber kann das alles sein? Es sitzen schließlich noch hunderttausende in häuslicher Selbstisolation, was zu heftigen Engpässen beispielsweise im Lebensmittelhandel nach sich zieht.
Weniger Covid-19-Infektionen in Großbritannien: Warmes Wetter und weniger Veranstaltungen
Glaubt man dem Verwaltungsrat des Pharmariesen Pfizer, Scott Gottlieb, dann könnten weniger Tests durchaus für die momentane Situation verantwortlich sein, schließlich haben laut seiner Aussage mehr Patienten weniger schlimme Symptome aufgrund einer Impfung. Allein deshalb würde weniger getestet, weil es nicht erforderlich scheine.
Aus diesem Grund hat die Regierung in London gerade ein neues Programm verkündet. Wie „Spiegel Online“ berichtet, sollen 1200 weitere Testzentren errichtet werden. Somit würde Großbritannien innerhalb weniger Tage die Anzahl der Testzentren auf 2000 deutlich erhöhen.

Dabei soll es auch neue Priorisierungen geben. Personen, die in Gefängnisse, bei Transportunternehmen, bei der Müllabfuhr, in der Energieversorgung oder der Tiermedizin arbeiten, sollen dabei bevorzugt berücksichtigt werden. „Tägliches Testen wird unsere Teams an der vordersten Front beschützen, während sie weiterhin der Gesellschaft und den Menschen im ganzen Land dienen“, erklärte die britische Innenministerin Priti Patel.
Andere Wissenschaftler wiederum machen das Wetter für den Rückgang der Infektionen verantwortlich. Es ist in den vergangenen Wochen deutlich wärmer geworden in Großbritannien. Dass derzeit im Lande weniger Großveranstaltungen stattfinden – die EM ist seit rund zwei Wochen vorbei – könnte auch eine wesentliche Rolle spielen, so die Wissenschaftler. * kreiszeitung.de und merkur.de sind Angebot von IPPEN.MEDIA.