Spektakuläre Wende im Fall Emanuela Orlandi: Staatsanwaltschaft erhält Dokumente vom Vatikan

Wird das Geheimnis um das seit 1983 vermisste Mädchen endlich gelöst? Staatsanwaltschaft und Vatikan sollen erstmals im Fall von Emanuela Orlandi zusammenarbeiten.
Rom – Vierzig Jahre nach dem mysteriösen Verschwinden von Emanuela Orlandi nimmt die Staatsanwaltschaft Rom (Italien) die Ermittlungen wieder auf. Es ist eine spektakuläre Wende im Fall des Vatikan-Mädchens. Von der damals 15-Jährigen fehlt seit dem 22. Juni 1983 jede Spur. Jetzt soll die Staatsanwaltschaft Rom Dokumente vom Vatikan erhalten haben.
„Es ist eine positive Sache, dass die Staatsanwaltschaft von Rom Dokumente vom Vatikan erhalten hat“, sagte die Anwältin der Familie Orlandi, Laura Sgrò, wie die italienische Nachrichtenagentur Ansa berichtet. Zum ersten Mal würde es eine Zusammenarbeit zwischen dem Heiligen Stuhl und der ordentlichen Justiz geben. Es sei das, was die Familie des Mädchens seit Jahren fordern würde, um die Wahrheit über Emanuela herauszufinden.
Die Richter des Heiligen Stuhls unter der Leitung von Alessandro Diddi und die römischen Richter unter der Leitung von Francesco Lo Voi arbeiten laut der italienischen Zeitung Repubblica zusammen. Die Ermittlungen seien an Stefano Luciani, einen „sehr erfahrenen stellvertretenden Staatsanwalt“ übergeben worden.
Fall Emanuela Orlandi: Vermisstes Vatikan-Mädchen – Suche nach der Wahrheit geht weiter
Die Suche nach der Wahrheit treibt vor allem Bruder Pietro Orlandi seit Jahren an. Der 66-Jährige ist der letzte, der seine Schwester vor ihrem Verschwinden sah. Emanuelas Bruder wirbelte offenbar hinter den Vatikanmauern vor kurzem mächtig Staub auf. In einer TV-Sendung erhob er einen schweren Verdacht auch gegen den verstorbenen Papst Johannes Paul II. (1978 bis 2005). Selbst Papst Franziskus reagierte empört auf diese Anschuldigungen. Dabei hatte der Papst zuvor selbst eine vollständige Aufklärung des Vermisstenfalls seiner Schwester „ohne Rücksicht“ angeordnet.

Fall Emanuela Orlandi: Dubiose Theorien und Gerüchte um Vatikan-Mädchen
Die Staatsanwaltschaft in Rom kündigte schon im Januar 2023 an, den Vermisstenfall Orlandi erneut aufzurollen und Hinweisen nachzugehen. Es könnte ein Durchbruch sein. Vermutlich wurde die 15-jährige Tochter eines Kurien-angestellten entführt und ermordet. Vatikan oder Mafia – seit Jahren halten sich Theorien und Gerüchte rund um die Geschichte von Emanuela Orlandi, einige gelten als dubios:
- Emanuela Orlandi wurde entführt, um den Papst-Attentäter Ali Agca freizupressen.
- Emanuela Orlandi wurde von einem hohen Beamten der Kurie missbraucht.
- Der römische Mafiaclan Banda della Magliana ist in den Fall verstrickt.
Die Netflix-Dokumentation „Vatican Girl“ beschäftigte sich mit diversen Szenarien und verdächtigen Elemente rund um den Fall Orlandi. Das brachte zusätzliche Aufmerksamkeit. Die italienische Justiz hatte den Fall 2015 eigentlich nach sieben Jahren zu den Akten gelegt. Auf der Suche nach der Leiche des Mädchens waren sogar Gräber und Beinhäuser hinter der Vatikanmauer geöffnet worden. Zuvor waren die Ermittlungen von 1983 bis 1997 archiviert worden.

Vatikan-Mädchen spurlos verschwunden: Was ist am 22. Juni 1983 passiert?
Emanuela Orlandi ist seit dem 22. Juni 1983 verschwunden. Die 15-Jährige kam nach ihrem Musikunterricht in der Altstadt von Rom nicht nach Hause. Eine Leiche wurde nie gefunden. Was mit dem Mädchen geschah, konnte bisher nie geklärt werden. Das Schicksal der Tochter eines Kurien-Angestellten und Staatsbürgerin des Vatikans ist ein Mysterium. Ob sich das ändert, bleibt abzuwarten. (ml)