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UKE-Experte: Jedes 5. Kind von Internetsucht betroffen – so erkennen Sie Signale

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Von: Kevin Goonewardena

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Weniger Alkohol und Drogen, höhere Abhängigkeit vom Internet – eine Studie zeigt: Süchte unter Jugendlichen haben sich verschoben. Experte klärt über Anzeichen auf.

Hamburg – Ohne das Internet ist eine Welt kaum mehr vorstellbar. Auch für die, die noch die Zeiten erlebt haben, als das heutige Massenmedium noch gar nicht existierte. Es ist nichtmal 25 Jahre her, da begann der Siegeszug des Internets hierzulande – allerdings alles andere als schnell. Schnell aber gerät man heutzutage in die Fänge des Internets. Die Faszination Internet lässt irgendwann nicht mehr los. Internetsucht, damals noch völlig unbekannt – heute ein ernsthaftes Problem. Dass das problematische Nutzungsverhalten von Videospielen und Internet unter der genannten Gruppe immer größer wird, zu diesem Ergebnis kommt auch eine aktuelle Studie.

Name:Rainer Thomasius
Geburtsjahr:1957
Beruf:Kinder- und Jugendpsychater
Weitere Tätigkeiten:Universitätsprofessor
Leiter des DZSKJ am UKE:seit 2006

Internet- und Videospielsucht: UKE-Experte gibt Auskunft zu Anzeichen und Hilfen – so wird die Sucht definiert

Laut der Schulbus-Studie, die unter Schülerinnen, Schülern und Lehrkräften durchgeführt wurde, betrifft die Problematik jeden Fünften Schüler. Auch der ärztliche Leiter des Deutschen Zentrums für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters (DZSKJ) am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Prof. Dr. Rainer Thomasius, beschäftigt sich mit sogenannten „medienbezogenen Störungen.“ Im Hamburger Abendblatt gibt Thomasius Auskunft darüber, was Internetsucht eigentlich bedeutet – und wie man sie erkennt.

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Ab wann ein Mensch süchtig ist, ist nach festgelegten Kriterien messbar. Im Fall von Computerspiel- oder Internetsucht gelten folgende Diagnostik-Kriterien, die in Europa erst kürzlich neu festgelegt wurden: Als süchtig gilt demnach eine Person, bei der über mindestens zwölf Monate hinweg ein Kontrollverlust in Bezug auf Frequenz, Intensität und Dauer nachweisbar ist.

Dazu kommen andere negative Begleiterscheinungen des exzessiven Konsums wie etwa die Vernachlässigung von Freizeitaktivitäten anderer Art, der Schule, von Freunden und Familie und die daraus resultierenden Konsequenzen – etwa schlechte Noten.

Dr. Rainer Thomasius und ein Junge mit einem Laptop auf dem Sofa
Dr. Rainer Thomasius leitet den Fachbereich für Kinder und Jugendsucht am UKE. Im Interview erklärt er, woran sich Internet- und Videospielsucht erkennen lassen und was Betroffene tun können. © Reiner Zensen/Hodei Unzueta/imago/Montage

Studie zur Internetsucht: Stundenlang am PC verbringen alleine macht nicht süchtig

Viele Eltern machen sich aufgrund des Zeitaufwandes ihrer Kinder Sorgen über eine mögliche Sucht. Auch der ein oder andere Nutzer selbst dürfte sich nach stundenlangem PC-/Laptop- oder Smartphone-Konsum schon selbst bei der Frage nach einer eventuellen Sucht ertappt haben.

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Doch der reine Zeitaufwand ist nicht ausschlaggebend für eine Sucht, so UKE-Professor Thomasius im Hamburger Abendblatt. „Der Stundenaufwand allein ist kein starker Indikator. Wesentlich ist das Kontaktverhalten der Jugendlichen: Wenn sie persönlichen Begegnungen aus dem Weg gehen, Gespräche flüchtig und oberflächlich werden, sie launisch, wütend oder depressiv reagieren.“

Internetsucht: UKE-Mediziner nennt Zahlen – so viele süchtige Jugendliche gibt es in Deutschland

In einer repräsentativen Studie habe man im vergangenen Jahr in der Altersgruppe der 10- bis 17-Jährigen hochgerechnet „220.000 Behandlungsbedürftige mit einer Abhängigkeit von Computerspielen und 250.000 im Bereich Social Media festgestellt“, so Thomasius. Dem UKE-Mediziner zufolge decken sich die eigenen Studienergebnisse, mit denen der aktuellen Schulbus-Studie im Wesentlichen.

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Videospielsucht bei Jungen deutlich verbreiteter – Gründe für die Sucht

Der UKE-Mediziner, Leiter des Deutschen Zentrums für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters (DZSKJ), gibt im Interview mit dem Abendblatt auch Auskunft über einen Teil der Gründe für Internet- beziehungsweise Videospielsucht und nennt geschlechtsspezifische Ausprägungen. So sei etwa die Videospielsucht bei Jungen deutlich ausgeprägter als bei Mädchen. Professor Thomasius vermutet, dass „sich die Computersucht in den Vordergrund drängt und daher zu den Hilfegesuchen durch die Eltern oder Sorgeberechtigten führt“. Sprich: Eher publik wird.

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Der Sucht selbst läge „typischerweise [...] eine Sozialphobie zugrunde. Es geht also um Jungen, die in ihrem Selbstwertgefühl von Kindheit an beeinträchtigt sind, keinen Zugang zu Gleichaltrigen finden und möglicherweise eine Konzentrationsstörung haben. Und sich in Computerspielen als grandios, stark und andere beeinflussend erleben.“

Internet- und Videospielsucht: Mädchen leiden oft noch an anderen Süchten – Präventiv gegen Sucht vorgehen

Mädchen hingegen seien laut UKE-Mediziner Thomasius oft „aufgrund anderer psychischer Belastungen wie Depressionen, Selbstverletzungen oder Essstörungen“ in ärztlicher Behandlung. Der Umstand, dass in solchen Fällen eine Kombination mit problematischer Mediennutzung vorliegen könne, würde oft nicht berücksichtigt werden und somit in der Behandlung untergehen.

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Unter anderem durch das Vermitteln von Medienkompetenz könne einer späteren Internetsucht vorgebeugt werden, so der Professor. Allerdings sollten diese Kompetenzen nicht nur den Kindern und Jugendlichen, sondern auch den Eltern vermittelt werden, so Thomasius weiter.  

Tipps und Hilfe zur problematischen Nutzung von Videospielen und Medien im Kinder- und Jugendalter vom UKE

Hilfsangebote bei Internet- und Videospielsucht in Hamburg

In allen Bezirken Hamburgs stehen den Betroffenen und deren Angehörigen Jugendsuchtberatungsstellen zur Seite, die aufgesucht werden können. Über die Gesundheitsämter, aber auch die Suche im Internet sind diese Stellen auffindbar und zu erreichen. Im UKE selbst „steht ein ganzes Bündel unterschiedlicher Maßnahmen wie Beratungsgespräche für die Familie, therapeutische Begleitung oder ein Aufenthalt in der Tagesklinik zur Verfügung“, erklärt UKE-Professor Reiner Thomasius.

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