„Schwimmfähigkeit ungenügend“ – Warum immer mehr Kinder nicht schwimmen können
Wegen der hohen Gaspreise machen jetzt erste Schwimmbäder dicht. Leidtragende sind Kinder. Was die DLRG jetzt fordert.
Hamburg – Erst Corona, dann Energiekrise: der Schwimmunterricht in Deutschland fällt in den letzten Jahren häufig ins Wasser. Nicht nur private Verbraucher belastet der hohe Gaspreis. Erste Kommunen müssen jetzt ihre Schwimmbäder schließen, weil die Energiekosten explodieren. Darunter leiden besonders die Kinder, die – mal wieder – nicht schwimmen lernen können. Die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) mahnt: „Die Schwimmfähigkeit der Kinder im Grundschulalter ist weiterhin ungenügend!“
Name: | Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) |
Gründung: | 1913 |
Präsidentin: | Ute Vogt |
Bundesgeschäftsstelle: | Im Niedernfeld 1-3, 31542 Bad Nenndorf |
Mitglieder und Förderer: | 1.700.000 |
Immer mehr Kinder in Deutschland können nicht schwimmen
In Deutschland gibt es immer mehr Nichtschwimmer. Bereits im Jahr 2017 gaben bei einer Forsa-Umfrage 59 Prozent der Zehnjährigen an, keine sicheren Schwimmer zu sein. Und das war noch in der Zeit vor der Corona-Pandemie, in der Schwimmbäder lange Zeit geschlossen waren. 2021 äußerte sich Achim Wiese, Pressesprecher der größten Wasserrettungsorganisation der Welt, der DLRG. Die Situation der Nichtschwimmer in Deutschland sei „dramatisch“.
Wie Jungen und Mädchen lesen, schreiben und rechnen lernen, so müssen sie auch schwimmen lernen.
Jetzt liegen neue Zahlen vor: laut einer Pressemitteilung der DLRG haben 37 Prozent der Jungen und Mädchen im Grundschulalter noch kein Schwimmabzeichen – auch nicht das auf das Schwimmen vorbereitende Seepferdchen. Waren es 2017 noch 10 Prozent der Kinder zwischen sechs und zehn Jahren, die nicht schwimmen konnten, sind es nun 20 Prozent. DLRG Präsidentin Ute Vogt mahnt: „Wie Jungen und Mädchen lesen, schreiben und rechnen lernen, so müssen sie auch schwimmen lernen. Wir müssen dahin kommen, dass jedes Kind am Ende der Grundschule sicher schwimmen kann.“
Zahl der Badetoten 2022 in Deutschland wieder gestiegen
Hunderttausende Kinder in Deutschland konnten während der Corona-Pandemie nicht schwimmen lernen. Neben der Zahl der Nichtschwimmer stieg auch die Zahl der Badetoten. 2021 konnte die DLRG mehr als 1600 Menschenleben retten, trotzdem sind mindestens 299 Personen in Deutschland ertrunken. Trotzdem war die Zahl der Ertrunkenen das dritte Jahr in Folge gesunken. Doch im Sommer 2022 gab es nicht nur in Hamburg, wo ein 13-Jähriger in der Elbe ertrank, besonders viele Badeunfälle.
Bis August 2022 waren bereits 289 Menschen in Deutschland ertrunken, die abschließenden Zahlen für 2022 liegen noch nicht vor. Schon bei der Veröffentlichung der Statistik von 2021 betonte DLRG Präsidentin Vogt, man betrachte gerade im Hinblick auf die Unglücke mit jungen Menschen mit großer Sorge, dass heute immer weniger Kinder sicher schwimmen könnten. Sie befürchtet deshalb langfristig mehr Heranwachsende unter den Opfern.

Energiekrise: Schwimmbäder auf Platz zwei der Streichliste
Nach der Corona-Pandemie führt nun die Energiekrise und die damit verbundenen hohen Energiekosten zu immer mehr Schwimmbad-Schließungen. Schon im Dezember 2022 veröffentlichte die Deutsche Gesellschaft für das Badewesen e.V. eine Studie der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Ernst & Young (EY). Danach steht die Schließung bzw. der eingeschränkte Betrieb von Hallen- und Freibädern auf Rang zwei bei geplanten Einsparungen der Kommunen.
Und tatsächlich mehren sich die Meldungen von Schwimmbad-Schließungen – gerade musste die beliebte Dünentherme in St. Peter-Ording wegen hoher Gaspreise schließen. Betroffen davon sind nicht nur Urlauber, sondern auch Schülerinnen und Schüler in dem Nordseebad in Schleswig-Holstein: Ihr Schwimmunterricht fällt bis auf Weiteres aus. Ähnlich geht es den Kindern auf der Nordseeinsel Sylt. Auch hier ist die zurzeit einzige Schwimmhalle auf der Insel, die Sylter Welle, wegen energetischer Sanierungsmaßnahmen geschlossen.
DLRG fordert: Mängel bei der Bäderversorgung beheben
Die repräsentative Forsa-Umfrage im Auftrag der DLRG ergab, dass immerhin 87 Prozent der Befragten ein Schwimmbad in der näheren Umgebung haben. Im Jahr 2017 waren es 92 Prozent. Insbesondere bei Menschen aus Orten unter 5.000 Einwohnern ist der Wert von 90 auf 78 Prozent gesunken. „Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass der Trend bei der Bäderversorgung weiter in die falsche Richtung läuft“, sagt DLRG Chefin Ute Vogt.
Nach eigenen Angaben sieht die DLRG schon seit Jahren mit großer Sorge den „unheilvollen Trend zu Bäderschließungen in Deutschland“. Bund, Länder und Kommunen müssten nun endlich an einem Runden Tisch zusammenkommen, um die Mängel in der Bäderinfrastruktur systematisch zu beheben. Doch das ist ein langer Prozess. Die Frage ist, wie sich im Anbetracht der zurzeit astronomischen Energiekosten für Hallenbäder kurzfristig etwas ändern lässt. Möglich wäre die Ausweitung der vom Bundeskabinett beschlossenen Gaspreisbremse auch auf öffentliche Einrichtungen wie Schwimmbäder.
Bisher profitiert von dem vergünstigten Gaspreis neben Privathaushalten vor allen Dingen die Industrie. Die zahlt für 70 Prozent ihres Erdgasverbrauchs im Jahr 2021 einen vergünstigten Preis von 7 Cent je Kilowattstunde. Für Privatverbraucher, Pflege-, Forschungs- und Bildungseinrichtungen liegt der gedeckelte Preis bei 12 Cent – selbst der wäre für den Betrieb eines Schwimmbads zu hoch. Nur für Krankenhäuser gilt der gleiche Preisdeckel wie für die Industrie.