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„Hochexplosive“ Wärmepumpen? Expertin ordnet Gefahren ein

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Von: Ulrike Hagen

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Wärmepumpen mit Propan seien „hochexplosiv“, sperren sich manche Heizungsbauer und auch im Wärmepumpenverband gibt es unterschiedliche Positionen. Was ist dran?

Frankfurt/Freiburg – Für den Klimaschutz und die Unabhängigkeit von fossilen Brennstoffen hat die Bundesregierung sich zum Ziel gesetzt, bis 2030 den Einbau von sechs Millionen Wärmepumpen zu erreichen. Ein Problem der klimafreundlichen Heizsysteme: Die in den Pumpen eingesetzten Kältemittel, die teils höchst bedenklich sind – es geht um hochgiftige PFAS, sogenannte „Jahrhundertgifte“. Ein europaweites Verbot ist bereits in Planung, es würde die Mehrzahl der bisher verbauten Wärmepumpen treffen.

Fakt ist: Es gibt eine umwelt- und klimafreundliche Alternative zu den gefährlichen PFAS: Propan. Doch das bringt andere Probleme mit sich. Der Bundesverband Wärmepumpen BWP kritisiert das Sicherheitsrisiko von Propan, da es sich relativ leicht entzünden könne, heißt es. Und auch einige Heizungsbauer sperren sich und führen Sicherheitsbedenken wegen Propan an: Ein Heizungsbauer warnte zuletzt gar vor „hochexplosiven“ Wärmepumpen. Doch stimmt das? Die Klimatechnikexpertin Dr. Lena Schnabel vom Fraunhofer-Institut ISE in Freiburg äußerte sich dazu im Gespräch mit fr.de von IPPEN.MEDIA.

Die Klimatechnikexpertin Dr.-Ing. Lena Schnabel vor einer Wärmepumpe
Die Klimatechnikexpertin Dr.-Ing. Lena Schnabel schätzt die Gefahr, die von Propan-Wärmepumpen ausgeht, als sehr gering ein. (Symbolbild) © Lena Schnabel/Daniel Reinhardt/dpa/Montage

Heizgesetz in Deutschland: Effizienzrekord für Wärmepumpe mit Propan in der Menge von fünf Feuerzeugen

Bereits im vergangenen Jahr stellte das Fraunhofer-Institut einen Rekord für eine Wärmepumpe mit dem Kältemittel Propan auf: Mit nur 124 Gramm Propan wurde eine maximale Heizleistung von 12,8 Kilowatt und eine Effizienz von 4,7 (Verhältnis der erzeugten Wärme zum eingesetzten Strom) erreicht. Die notwendige Kältemittelmenge pro Kilowatt Heizleistung „entspricht etwa der Propan-Menge in fünf Feuerzeugen“, erklärte damals Projektmanager Clemens Dankwerth, nämlich winzige 9,7 Gramm. Zum Vergleich: Handelsübliche Wärmepumpen benötigen etwa 60 Gramm Propan pro Kilowatt. 

Geht von so einer kleinen Menge tatsächlich eine Explosionsgefahr aus? „Propangas ist brennbar und daher natürlich potenziell gefährlich. Aber das ist ein Gasbrenner genauso. Zu 100 Prozent lässt sich nirgendwo das Restrisiko ausschalten, noch nicht einmal beim Betrieb eines PKW“, so Schnabel. Sie leitet die Abteilung Wärme- und Kältetechnik, die am Propan-Wärmepumpen-Projekt „LC 150“ am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme beteiligt war.

In jedem Kühlschrank in jedem Haushalt steckt seit 1994 das ebenso so leicht brennbare Kältemittel Isobutan.

Dr. Lena Schnabel, Abteilungsleiterin Wärme- und Kältetechnik, Fraunhofer Fraunhofer-Institut

Wärmepumpen mit Propan: Gefahren laut Expertin völlig überschätzt – ausgetüftelte Sicherheitstechnik

„Wenn Firmen Geräte entwickeln, werden Risikobewertungen erstellt, Worst-Case-Szenarien durchgespielt und entsprechende technische Maßnahmen ergriffen, um derartige Fälle zu vermeiden und Schaden an Leib und Seele zu verhindern“, weiß Schnabel. „Natürlich kann Propan aus der Pumpe entweichen, wenn ein großer Betonklotz oder ein schwerer Baum auf das Gerät fällt. Dieser Fall ist sehr unwahrscheinlich, wird aber eben als ein solches Szenario von den Entwicklern durchgespielt, in seinen möglichen Auswirkungen bewertet und daraus entsprechende Sicherheitsmaßnahmen abgeleitet“, erläutert sie.

Die Klimaexpertin weiter: „In jedem Kühlschrank in jedem Haushalt steckt in Deutschland seit 1994 das Kältemittel Isobutan, ein ebenfalls leicht brennbarer Kohlenwasserstoff wie Propan, im Schnitt ungefähr 100 Gramm pro Gerät. Auch da haben die Hersteller selbstredend sichergestellt, dass der Fall, dass sich das Gas entzündet, praktisch nicht eintreten kann. Das ist analog auch bei der Herstellung von Wärmepumpen so.“

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Energiewende: „Extrem unfair, Risikobewertung an einem einzigen bisher aufgetretenen Fall festzumachen“

Schnabel sind keine größeren Unfälle mit propanbetriebenen Wärmepumpen bekannt. „Es gab einen Vorfall in Berlin, vor etwa fünf Jahren. Dabei handelte es sich um ein sehr exotisches System, bei dem das Propan direkt durch die Leitungen im Haus geführt wurde, sowas macht heute keiner mehr.“ Dort sei durch einen unkontrollierten Gasaustritt über dem Fußboden und dessen Entzündung ein Haus zerstört worden. „Es ist aber extrem unfair, die Risikobewertung an diesem einen Fall aufzuhängen“, so die Klimatechnikerin. Immer wieder kursieren Irrtümer über Wärmepumpen, die Experten aufklären müssen.

„Sehr ausgereifte“ Technik von Propan-Wärmepumpen für den Außenbereich

„Ich halte die Varianten von Propan-Pumpen, die außen aufgestellt werden, für sehr ausgereift.“ Bei den Geräten, die für den Innengebrauch gedacht sind, muss und wird sich aber in den nächsten zwei bis drei Jahren noch einiges tun, verspricht Schnabel. Sie gibt zu, dass an dieser Stelle noch Nachholbedarf besteht: „Innenraum-Wärmepumpen unterliegen höheren Sicherheitsanforderungen, die Planung und Konstruktion ist aufwendiger.“

Vor allem gehe es dann um das Entwickeln von komplexen Lösungen im Rahmen von Sanierungen in Mehrfamilienhäusern. Da ist das Engagement der Industrie bisher eher zurückhaltend, „weil bisher Planungssicherheit und Perspektive fehlten“. Habecks Heiz-Gesetz, für das das Kabinett grünes Licht gab, und das nun noch Bundestag und Bundesrat passieren muss, sei darum ein wichtiger Schritt.

Was sind die Vorteile und Eigenschaften von Propan als Kältemittel?

Habecks Heizgesetz: Übergangslösungen und Ausnahmeregelungen „extrem sinnvoll“

Die Übergangsfristen und Ausnahmeregelungen, die das geplante Heizgesetz vorsieht, hält die Klimaingenieurin darum für extrem sinnvoll: „In dieser Übergangszeit können dann doch erstmal die von der Regierung ausgerufenen sechs Millionen Wärmepumpen im Außenbereich installiert werden, bei denen es technisch gut machbar ist. Die Industrie kann in dieser Zeit in Ruhe Lösungen für die komplexeren Probleme entwickeln. Diese können dann in ein paar Jahren dort eingebaut werden, wo es bisher noch schwierig ist – im Innenbereich und in Mehrfamilienbestandsbauten.“ Und dort, wo eine höhere Heizlast, die durch Habecks Pläne zur entscheidenden Größe wird, gefordert ist, und eine höhere Menge an Kühlmittel benötigt wird.

„Propangas-Wärmepumpe beantwortet eine große Problemstellung“

Ein Baustein wird dann sicher auch das in den letzten zwei Jahren vom Fraunhofer ISE entwickelte 124-Gramm Propan-Modell sein. Zum Vergleich: In einer Camping-Gaskartusche stecken 180 Gramm Propan. „Wir sind überzeugt davon, dass wir damit eine große Problemstellung beantworten konnten“. Die Erkenntnisse fließen nun in der Industrie in die Entwicklungen ein – mit entsprechenden harten Sicherheitstests und technischen Maßnahmen, die sicherstellen, dass kein zündfähiges Gemisch außerhalb des Geräts im Innenraum wie im Außenraum entstehen kann. Damit hätte das System Wärmepumpe, von dem einige Energie-Experten sagen, alternativlos sei, dann auch mit dem Kältemittel Propan eine sichere Zukunft.

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