Markus Lanz (ZDF): Grüner Hofreiter dreht Schalke-Boss Tönnies durch den Fleischwolf
Grünen-Politiker Anton Hofreiter nimmt sich in der neuen Markus-Lanz-Ausgabe (ZDF) die Fleischindustrie und Schalke-Boss Clemens Tönnies vor. Kurzer Prozess.
- Markus Lanz*: Debatte über Fleischindustrie.
- Schalke-Boss Clemens Tönnies am Pranger.
- Grünen-Politiker Anton Hofreiter: „Problem ist die Agrarlobby“.
Hamburg/Altona - In der Markus Lanz-Ausgabe vom Dienstag, 23. Juni 2020 sind die Politiker Anton Hofreiter (Bündnis 90/Die Grünen) und Theo Mettenborg (CDU), mal wieder Virologe Martin Stürmer* sowie die Journalisten Anette Dowideit und Sven Becker zu Gast im Studio in Hamburg-Altona. Im Fokus steht der Coronavirus-Sars-CoV-2*-Skandal im Schlachtbetrieb von Clemens Tönnies. Zudem erläutert „Toni" Hofreiter sein Konzept zur Schaffung von mehr Tierwohl und besseren Arbeitsbedingungen.
Mitglied des Deutschen Bundestages: | Anton Hofreiter |
Geboren: | 2. Februar 1970 (Alter 50 Jahre), München |
Eltern: | Gerhard Hofreiter |
Ausbildung: | Universität München |
Partei: | Bündnis 90/Die Grünen |
Bücher: | Fleischfabrik Deutschland: Wie die Massentierhaltung unsere Lebensgrundlagen zerstört und was wir dagegen tun können |
Markus Lanz (ZDF): Im Hamburger TV-Studio geht es um die Wurst - Fleischliebhaber Anton Hofreiter (Die Grünen) verputzt Fleischindustrie
Anton Hofreiter, seit Oktober 2013 neben Katrin Göring-Eckardt Vorsitzender der grünen Bundestagsfraktion, gibt in der Hamburger* Runde von ZDF-Moderator Markus Lanz unumwunden zu, gerne Fleisch zu essen. Er könne es sich mit seinem Gehalt leisten, auf die Qualität zu achten. Untragbar findet es der 50-jährige Bayer aber, dass „total unsoziale Zustände sozial gerechtfertigt werden“. Oder anders ausgedrückt: ein Stück Fleisch, dass für jede Gesellschaftsschicht bezahlbar ist, soll als Argument gegen eine Verbesserung der unmenschlichen Arbeitsbedingungen in Schlachtbetrieben und -höfen herhalten.
Eine nicht zu Ende gedachte Argumentation. So sieht es auch Talkmaster Lanz. „Das Virus lenkt ein grelles Licht darauf, wo wir in unserer Gesellschaft unhaltbare Zustände haben“, versucht Hofreiter, etwas Positives aus der Coronavirus-Sars-CoV-2-Krise zu ziehen - und verweist auch auf die Vorfälle in Göttingen*. In der niedersächsischen Stadt wurde durch eine Anhäufung an Virus-Fällen die prekäre Wohnsituation in einem Hochhaus zutage gefördert.
Der Fokus in der neusten Ausgabe der ZDF-Talkshow liegt aber auf den Infektionen im Fleischbetrieb von Clemens Tönnies. Der Unternehmer ist seit 2001 Aufsichtsratsvorsitzender beim FC Schalke 04 und soll laut dem Wirtschaftsmagazin „Forbes" über ein Vermögen von 1,4 Milliarden Euro verfügen (Stand: April 2019). Eine Summe, von der seine Mitarbeiter in den Schlachthöfen nur träumen können. Viele Angestellte des 64-Jährigen sehen sich aktuell mit einer Coronavirus-Sars-CoV-2-Infektion konfrontiert. Mindestens 1.500 Arbeitnehmer sollen sich infiziert haben* (Stand: 23. Juni 2020). Ein Gesetz zum Schutz der Mitarbeiter soll Tönnies versucht haben zu umgehen*.
Ein Resultat unzureichender Hygiene-Maßnahmen, die bei Markus Lanz intensiv diskutiert werden. Es sind vor allem Hofreiter und „Welt"-Journalistin Anette Dowideit, die auf die Kernprobleme der Fleischindustrie hinweisen. Diese seien Subunternehmerkonstruktionen, Preisdruck und Lobbyismus. Mit dem Vorwurf, letzteren zu betreiben, sieht sich aktuell auch Jung-Politiker Philipp Amthor (CDU) konfrontiert. Sein Fall wurde ebenfalls in der ZDF-Talkshow diskutiert, Spitzen von Parteikollege Wolfgang Bosbach* inklusive.

Markus Lanz (ZDF): Grüner „Toni“ fordert gesetzliche Regelungen - Hofreiter plädiert für Haftung und Werkverträge
Doch zurück zur Fleischindustrie. Die Journalistin erläutert, dass nur die allerwenigsten Angestellten von Zerlegebetrieben festangestellt seien und nach Tarif bezahlt werden würden. Stattdessen werden sie von Subunternehmern aus Osteuropa angeworben, die ihnen auf dem Papier zwar den gesetzlichen Mindestlohn zahlen, davon aber noch, illegalerweise, diverse Abgaben abziehen würden. Hierzu zählen Dowideit zufolge beispielsweise die Kosten für Arbeitskleidung. Zudem würde ein Subunternehmen die zumeist unzumutbaren Unterkünfte für die Arbeiter stellen - und dafür ebenfalls abkassieren.
Nun schreitet Hofreiter ein und fordert, basierend auf den von der Journalistin aufgeführten Missständen, zwei gesetzliche Regelungen. Zum einen möchte der Grünen-Politiker Werkverträge verbieten, zum anderen ist es sein Bestreben, eine Generalunternehmerhaftung für den Arbeitsschutz einzuführen. Diese Haftung sei nicht gänzlich neu, sondern bereits existent und würde die Zahlung von Sozialabgaben sichern. „Aber im Kern müsste man das ganze System ändern“, sagt der Bayer.
Ein System, das seiner Ansicht nach darauf ausgelegt ist, Preise zu drücken. Und das bis nach Südamerika reichen würde. Dort werden, so die Aussage Hofreiters, Kleinbauern von Futtermittelkonzernen vertrieben oder gar ermordet - des Profits wegen. Die europäischen Landwirte stünden wegen des Preisdrucks „mit dem Rücken zur Wand“ und hätten in der Art der Tierhaltung zu drastischen Mitteln gegriffen - um mit immer größeren Mengen noch ein geringes Auskommen zu haben.
Schlussendlich würden die Arbeiter in den zahlreichen Fleischbetrieben ausgebeutet werden. „Wir haben es mit einem vom Beginn der Kette bis zum Schluss kaputten Wirtschaftszweig zu tun“, zeigt sich Hofreiter resigniert und zieht eine ernüchternde Bilanz. Betretens Schweigen in der Hamburger Runde, ehe Lanz das Wort ergreift und zurück zu den Coronavirus-Sars-CoV-2-Fällen in den Fleischbetrieben lenkt. Er findet es „so erstaunlich wie ekelig“, dass Schweine, die nun nicht mehr „verarbeitet“ werden (können), ganz schnell ein Problem für die Massentierhaltung darstellen - da sie bereits bei nur geringer Gewichtszunahme nicht mehr in ihre Box passen.
„Wo ist das Problem?“ - „Das Problem ist die Agrarlobby“: Munterer Austausch zwischen „Welt“-Journalistin Dowideit und Grünen-Politiker Hofreiter bei Markus Lanz (ZDF)
Nun folgt der nächste Redebeitrag von Dowideit. Der Journalistin zufolge könnten Zulieferbetriebe, die aktuell nicht wissen, wohin mit den Schweinen, der Grund für das seltsame Verhalten unter Politikern sein. Denn diese hätten trotz ihres Wissens um die prekären Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie jene zu Beginn der Coronavirus-Sars-CoV-2-Krise nicht zur Gefahrenzone oder dergleichen deklariert. Die Produktion wurde nicht heruntergefahren, im Gegenteil: vehement wurde darauf hingewiesen, dass diese Branche systemrelevant sei.
Hinsichtlich der politischen Entscheidung räumt die „Welt“-Reporterin ein, dass Betriebe wie von Marktführer Tönnies viel Gewerbesteuer zahlen würden. In der ganzen Argumentation könne es aber nicht um Arbeitsplätze gehen. Denn schließlich würden vor allem Großschlachtereien für sich reklamieren, dass sie Werkverträge bräuchten, da sie keine Arbeitskräfte in Deutschland fänden. „Wenn also bei einer Systemänderung keine Arbeitsplätze wegfallen, wo ist das Problem?“, stellt Dowideit eine Frage in die ZDF-Runde.
Der grüne Hofreiter hat die vermeintliche Antwort parat. Flugs schießt es aus dem Politiker heraus: „Das Problem ist die Agrarlobby". Das will Lanz genauer wissen, hakt ähnlich konsequent wie im Rededuell mit dem Juso-Vorsitzenden Kevin Kühnert (SPD)* nach und möchte explizit Namen hören. Und die soll der 51-jährige Hamburger bekommen - von Journalistin Dowideit. Sie nennt unter anderem CSU-Politiker Straubinger.
Schnell offenbart Hofreiter jedoch, dass solche Namen nur wenig sensationell sind und für keine Meldung taugen. „Schauen Sie auf die Personen im Agrarausschuss und welche Rollen sie in der Agrarlobby hatten“, heißt es von seiner Seite. „Die CDU/CSU im Agrarausschuss ist der parlamentarische Arm der Agrarindustrie“, spricht der Bayer über ein offenes Geheimnis. So kann letztendlich doch kein Konsens gefunden werden, der alle zufrieden stellt und adäquate Lösungen für die Zukunft beinhaltet. Eine vermeintlich simplere „Lösung“ haben hingegen zwei YouTuber vom Kanal „Vegan ist ungesund"* parat. // Quelle: 24hamburg.de-MarkusLanz * 24hamburg.de, hna.de und merkur.de sind Teil des bundesweiten Ippen-Digital-Redaktionsnetzwerkes.