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„Es war erschreckend“: Schlicklöcher sind wie Treibsand im Watt

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Von: Dagmar Schlenz

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Eine Wattwanderung ist bei Nordsee-Urlaubern sehr beliebt. Man lernt viel über das einmalige Ökosystem – doch einige Gefahren sind dabei nicht zu unterschätzen.

St. Peter-Ording/Nordsee – Wenn sich das Wasser bei Ebbe zurückzieht, kommt es zum Vorschein: das Watt. Der Grund der Nordsee ist ein einmaliges Ökosystem, das seit 2009 zum UNESCO-Weltnaturerbe gehört. Das Wattenmeer besteht aus sandigen oder schlickigen Flächen, die eine Vielzahl von Tieren und Pflanzen beherbergen. Bei einer Wattwanderung kann man die faszinierende Natur erkunden – doch dabei ist Vorsicht geboten.

Name:Wattenmeer
Nationalparks:3
Bundesländer:Schleswig-Holstein, Hamburg, Niedersachsen
Weltnaturerbe seit:2009 (Hamburg seit 2011)
Enstehung:vor rund 10.000 Jahren

Nationalpark Wattenmeer: Schlicklöcher wirken wie Treibsand

Urlaub an der Nordsee erfreut sich nach wie vor großer Beliebtheit. Nicht nur der Strandkorb auf Sylt oder die Wellness-Oase in St.-Peter-Ording locken die Besucher an, sondern auch der Nationalpark Wattenmeer. Ein tolles und abwechslungsreiches Erlebnis für Groß und Klein ist eine Wattwanderung. Was viele nicht wissen: Das Watt hat durchaus seine Tücken und birgt einige Gefahren. Dazu gehören sogenannte Schlicklöcher – Mulden im Wattboden, die mit besonders feinkörnigem Sediment gefüllt sind.

Wattboden mit einigen Löchern, in denen Wasser steht. Das Wattenmeer ist faszinierend, birgt aber auch einige Gefahren wie Schlicklöcher, in denen man schnell einsinken kann.
Das Wattenmeer ist faszinierend, birgt aber auch einige Gefahren wie Schlicklöcher, in denen man schnell einsinken kann. © Nina M. (hfr.)

„Hier kann man schnell mal bis zum Hals einsacken, sehr gefährlich! Solche Schlicklöcherflächen niemals betreten“, warnt zum Beispiel Nina M. Mitte März 2023 in der Facebook-Gruppe „St. Peter Ording Strand und Meer“. Die Norddeutsche ist mit ihrem Freund oft auf Bernsteintour unterwegs im Watt, zum Beispiel auf der Sandbank bei St.-Peter-Ording. „Das Watt ist jeden Tag anders, die Schlicklöcher sind nicht immer an den gleichen Stellen“, weiß die Bernsteinjägerin zu berichten.

„Gott sei Dank heil herausgekommen“: Überraschende Gefahr im Watt

Nina M. weiß, wovon sie spricht, denn sie ist selbst schon mal im Schlick eingesackt. „Der Wattboden sah fest aus, wurde dann aber flüssig und zerbrach. Es war wirklich nicht schön. Bin da Gott sei Dank heil herausgekommen“, erzählt sie gegenüber 24hamburg.de.

„Faszinierend, aber auch gefährlich“, mahnt auch Jolanda W. auf Facebook. „Ein paar Stiefel hat die Nordsee schon einbehalten“, weiß Karin S. zu berichten. „Es war schon erschreckend, wie schwierig es war, in knapp kniehohen Schlick vorwärtszukommen“, teilt Astrid M. auf Facebook ihre Erfahrungen. „Bei uns war es natürlich eine geführte Tour, alleine wären wir nicht losgegangen“.

Wattführer und Naturkundler warnt: Watt kann tückisch sein

Der erfahrene Wattführer und Naturkundler Werner Mansen kennt die Tücken des Wattbodens. Er und sein Geschäftspartner Jan Krüger sind die „Wattjungs“, die regelmäßig Führungen durch das Wattenmeer vor der Ostküste von Sylt anbieten. „Sicherheit steht bei uns an erster Stelle“, so Mansen im Telefonat mit 24hamburg.de. Der Wattführer kennt seine Wanderflächen und prüft sie regelmäßig. Gerade nach den vielen Stürmen, die auch zahlreiche Meerestiere an die Strände gespült haben, kann sich das Watt verändert haben.

Sedimente verlagern sich, neue Schlicklöcher können entstehen. „Wir wandern nur auf dem festeren Sand- und Mischwatt. Das Schlickwatt mit seinem feinen Sediment, in dem man modderig einsinken kann, vermeiden wir, das ist tückisch“, erzählt Mansen im Gespräch. Im letzten Sommer erst sei vor Keitum auf Sylt eine Frau, die auf eigene Faust ohne Kenntnisse über das Watt unterwegs war, bis zur Brust eingesunken. Ihr Mann wollte ihr zur Hilfe eilen und versackte ebenfalls. Passanten, die die Geschehnisse vom Ufer aus beobachtet hatten, riefen die Feuerwehr, die das Paar aus seiner misslichen Lage befreite.

Vorsicht im Wattenmeer: Befreiung aus dem Schlick oft nur mit Hilfe möglich

Schon häufig sind Menschen im Wattenmeer tief im Schlick versunken – manche können sich mit viel Mühe selbst befreien, doch die meisten sind auf fremde Hilfe angewiesen. Ende Februar 2023 wurde zum Beispiel in einer dramatischen Rettungsaktion eine 81-Jährige befreit, die im Watt steckengeblieben war. Deshalb gilt beim Wattwandern eine ganz wichtige Grundregel: Niemals alleine losziehen, sondern immer in Begleitung eines ortsansässigen Wattführers. Der kennt nicht nur die Gefahrenstellen, sondern kann auch helfen, wenn jemand im Schlick stecken bleibt.

Wer in ein Schlickloch gerät, sinkt oft sehr schnell ein. Und je mehr die Person sich dann bewegt, desto schneller versinkt sie – der weiche Wattboden saugt sie förmlich auf. Deswegen heißt es vor allen Dingen: Ruhe bewahren. Helfer können ohne entsprechende Ausrüstung nicht nah herankommen, da sie sonst selbst einsinken könnten. Daher kommen Seile oder Steckleitern zum Einsatz, um einen Menschen aus einem Schlickloch zu befreien.

Schlicklöcher im Wattenmeer haben verschiedene Ursachen

Ob in der Perlebucht vor Büsum, auf den Nordseeinseln Amrum oder Föhr, aber auch im westlichen Jadebusen, vor der Insel Spiekeroog oder vor Cuxhaven: Gefährliche Schlickflächen sind an vielen Orten im Wattenmeer zu finden. Eine Grundvoraussetzung für ihre Entstehung ist ruhiges Wasser ohne starke Strömungen, die die lockeren Sedimente davon spülen würden. Die gefährlichen Löcher können sich zum Beispiel durch Stürme, Eisschollen auf dem Wattboden oder starke Wasserturbulenzen bilden.

Reihen mit Holzpfählen im Watt. Auch der Bau von Lahnungen, die im Watt dem Uferschutz dienen, kann die Entstehung von Schlicklöchern begünstigen.
Auch der Bau von Lahnungen, die im Watt dem Uferschutz dienen, kann die Entstehung von Schlicklöchern begünstigen. © Kay Augustin/imago

Aber auch menschliche Eingriffe können die Ursache für die sedimentgefüllten Mulden sein, wie Naturkundler Mansen erläutert. Werden Lahnungen gebaut, also künstliche Abgrenzungen aus Holzpfählen und Rutengeflecht, die dem Uferschutz dienen, stabilisiert man diese oft mit Wattboden. Bagger heben dafür festes Watt aus und schichten es an den Lahnungen auf. Die entstandenen Löcher können sich durch die Gezeiten nach und nach mit weichem Schlick füllen.

Weltnaturerbe Wattenmeer: Drei Nationalparks mit einzigartigem Ökosystem

Das gesamte Wattenmeer ist etwa 11.500 Quadratkilometer groß und reicht von Den Helder in den Niederlanden bis hinauf zum dänischen Esbjerg. Allein auf deutschem Territorium befinden sich insgesamt drei Nationalparks. Mit 4380 Quadratkilometern ist der Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer der größte Nationalpark zwischen Sizilien und dem Nordkap. Er und seine „Nachbarparks“ in Hamburg und Niedersachsen ziehen jedes Jahr zahlreiche Besucher an.

Der Nationalpark Hamburgisches Wattenmeer gehört dabei sogar zu einem der fünf beliebtesten Nationalparks in ganz Deutschland. Die Nordsee und das Wattenmeer sind Lebensraum für zahlreiche Arten – neuerdings wurden im Wattenmeer zum Beispiel vermehrt Seepferdchen entdeckt, die dort eigentlich nur selten vorkommen.

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