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Klima-Aktivisten auf der A24 – Mit dem Schraubendreher zum Tempolimit

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Von: Sebastian Peters

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Noch während der Aktion wurden das Aktivisten-Trio von der Polizei gestoppt
Noch während der Aktion wurden das Aktivisten-Trio von der Polizei gestoppt © Sebastian Peters

Klimaaktivisten von Extinction Rebellion haben in der Samstagnacht die Einführung des Tempolimits auf der A24 bei Hamburg selbst in die Hand genommen.

Hamburg – Extinction Rebellion, kurz XR, ist neben der Letzten Generation einer dieser Klimaschutz-Organisationen, die mit zivilem Ungehorsam auf die drohende Klima-Krise aufmerksam machen wollen. Mit teilweise ausgefallen Aktionen, wie dem Einfärben von Brunnenanlagen an öffentlichen Plätzen, einer „Klima-Pressekonferenz“ im Wasser oder dem Blockieren von wichtigen Fahrbahnen für den Straßenverkehr machen die Organisationen immer wieder auf sich und die Thematik der drohenden Klima-Krise aufmerksam. Dabei stießen die Klima-Aktivisten nicht immer auf Zuspruch. Besonders das Blockieren von Fahrbahn bringt ordentlich Konfliktpotenzial mit sich, wie die Aktion der Letzten Generation in Hamburg zeigte.

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Aktivisten der Letzten Generation drohen dem Senat mit „maximaler Störung“

Mit dem „Drohschreiben“ der Letzten Generation an den Hamburger Senat und an den ersten Bürgermeister Peter Tschentscher sorgten die Aktivisten für weiteres Konfliktpotenzial. Seit der Androhung „unseren Protest auf die Stadt Hamburg auszuweiten und für eine maximale Störung der öffentlichen Ordnung zu sorgen“, ist von Seiten der Letzten Generation noch nichts passiert. Drohung mit leeren Wörtern?

Bereits vor dem Start hat das Aktivisten-Trio ihre Ausrüstung kontrolliert, damit es auf der Autobahn reibungslos abläuft
Bereits vor dem Start hat das Aktivisten-Trio ihre Ausrüstung kontrolliert, damit es auf der Autobahn reibungslos abläuft © Sebastian Peters

Anscheinend nicht ganz. Bei einem kürzlich stattfindenden Gerichtstermin äußerte sich der Angeklagte Klima-Aktivist Christian Schneider: „Wir werden auf jeden Fall weiter machen. In 10 Jahren müsste der Richter vielleicht Leute verurteilen, die Kartoffeln von Feldern stehlen, weil wir eine Hungerkrise haben.“

Aktivisten von Extinction Rebellion führen Tempolimit auf Autobahnen ein

In der Nacht von Samstag auf Sonntag, 19. März 2023, schreitet Extinction Rebellion zur Tat. Bewaffnet mit Schraubendreher, Zange und Maulschlüssel fuhren drei Aktivisten mit einem Fahrzeug die Autobahn A24 rund um Hamburg ab. Ihr Ziel – das Verkehrszeichen 278 und 282. Diese Verkehrszeichen sind den Klima-Aktivisten ein besonderer „Dorn im Auge“. Diese Schilder heben nämlich das Tempolimit auf deutschen Straßen auf.

Verkehrszeichen 278 und 282

Zeichen 278 beschreibt ein weißes rundes Schild mit einem schwarzen Rand, grauen Ziffern und fünf horizontalen Balken darüber. Die Ziffern auf dem Schild zeigen die Beschränkung an, die an dieser Stelle endet.

Auf der anderen Seite markiert Zeichen 282 das Ende jeglicher Verbote, die zuvor auf dieser Strecke aufgestellt wurden. Auch dieses Schild ist rund und weiß, mit einem schwarzen Rand und fünf horizontalen Balken.
(Quelle: bussgeldkatalog.org)

Treffpunkt für diese Aktion war diesmal das Berliner Tor in Hamburg. Dort trafen sich die Aktivisten und besprachen die letzten Details. Insbesondere der Ablauf wurde immer detailliert durchgesprochen. Für zwei von den drei Aktivisten war es die erste Aktion dieser Art. Spurbar nervös wurde bis in das kleinste Detail besprochen, was passieren würde, falls die Ordnungshüter die Aktion stoppen sollten.

Es wurde sich auf eine „der Reifen hat komische Geräusche gemacht“-Geschichte geeinigt. Dafür hatten die beiden Aktivsten, deren Fahrzeug für die Aktion genutzt wurde, sogar kurz zuvor extra ein Reifen ausgetauscht. Nach einem „einchecken“ beim Aktionsleiter der Extinction Rebellion ging die Aktion gegen 00:30 Uhr los.

Es ging von dem Berliner Tor über den Horner Kreisel zur Autobahn A24, die Hamburg mit Berlin verbindet. „Wir sind sehr vorsichtig und achtsam“, erkläre Christina während der Fahrt zum ersten Aktionsort auf der Autobahn. Ihr ist klar, warum sie die Aktion mitmacht. „Wir wollen das Tempolimit beschleunigen. Wir wollen, dass auf den Autobahnen weniger schnell gefahren wird. Da unsere Politiker nicht in die Puschen kommen, nehmen wir es nun selbst in die Hand“, so die Aktivisten.

Aktivisten von Extinction Rebellion „helfen“ Volker Wissing bei Einführung des Tempolimits

Wie die anderen Teilnehmer ist sich auch Frank der Aktion bewusst: „Wir helfen Verkehrsminister Wissing, das Tempolimit zu installieren. Er hat ja zu wenig Schilder und wir helfen ihnen dabei, diese Schilder zu entfernen. Um damit praktisch das Tempolimit in Deutschland einzuführen.“

Tatsächlich hatten die Aktivisten kurz zuvor ein Reifen ausgetauscht, damit die Geschichte „echt“ wirkt. Deshalb musste nach 50 km die Radmuttern nachgezogen werden.
Tatsächlich hatten die Aktivisten kurz zuvor ein Reifen ausgetauscht, damit die Geschichte „echt“ wirkt. Deshalb musste nach 50 km die Radmuttern nachgezogen werden. © Sebastian Peters

Erst vor ein paar Wochen wurde auf der A24 bei Brandenburg eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 130 km/h nach rund 20 Jahren aufgehoben. Selbst die Polizei sprach sich damals gegen das Aufheben des Tempolimits aus. Das Tempolimit wurde damals nicht wegen des Klimaschutzes dort eingeführt, sondern wegen des traurigen Höhepunktes eines Massencrashs mit fünf Pkws und einem Reisebus im Juli 2002. Damals verloren sechs Menschen ihr Leben, darunter fünf Kinder.

Erst vor wenigen Wochen wurde auf der A24 ein Teilstück wieder für „unbeschränkt“ erklärt

Nun gilt auf dem Teilstück der A24 also wieder: „Freie Fahrt für freie Bürger!“ Dabei hatte das Tempolimit seine Wirkung gezeigt, wie die Berliner Zeitung schreibt. Vor der Geschwindigkeitsbegrenzung (die grundsätzlich mit einem Aufhebungsschild enden) gab es dort im Jahr 2002 insgesamt 834 Unfälle mit acht Toten und 226 Verletzten. Drei Jahre später waren es mit Tempolimit nur noch 568 Unfälle mit 119 Verletzten und einem Toten. 2020 verletzten sich bei 466 Unfällen nur noch 38 Menschen. Zu Tode kam niemand.

Mit einem Akkuschrauber und der passenden Nuss wurde die Schilder im Handumdrehen demontiert
Mit einem Akkuschrauber und der passenden Nuss wurde die Schilder im Handumdrehen demontiert © Sebastian Peters

Tempolimit also nicht nur für den Klimaschutz, sondern auch für die Verkehrssicherheit? Die Beweggründe der Klima-Aktivisten scheint klar zu sein. „Wir sind hier, weil wir das Tempolimit in Deutschland durchsetzen wollen“, so Aktivist Frank. Dies passierte in der Nacht von Samstag auf Sonntag, 19. März 2023, auf der A24 auch – bis die Polizei anrückte.

Mit Blaulicht und zwei Streifenwagen wurde die Klima-Aktion abrupt beendet. Werkzeug wurde sichergestellt, Personalien aufgenommen. Die Geschichte mit den „Geräuschen an dem Reifen“ kauften die Polizisten den Aktivisten nicht ab. Allerdings hatten die Ordnungshüter auch keine handfesten Beweise, ob die Aktivisten von Extinction Rebellion tatsächlich die Schilder demontierten. Trotz des frühzeitigen Endes der Aktion sorgten die Aktivisten von Extinction Rebellion immerhin für ein kurzzeitiges Tempolimit auf der A24.

Nachdem die Polizisten die Personalien der Aktivisten aufgenommen haben, wurde das Klima-Trio mit auf die Wache nach Lübeck genommen. Dort wurden weitere erkennungsdienstliche Maßnahmen durchgeführt. Das Fahrzeug, mit dem die Aktivisten unterwegs waren, wurde von der Polizei beschlagnahmt. Auf welcher Grundlage die Beschlagnahmung stattgefunden hatte, konnte 24hamburg.de am Sonntag, 19. März 2023, nicht erfahren. Die Polizei Lübeck konnte dazu keine Auskunft geben, die Pressestelle war schlichtweg nicht besetzt. Nach Aussage der Aktivisten wird ihnen gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr vorgeworfen. Inwieweit dies tatsächlich Bestand hat, muss nun geprüft werden.

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