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Klartext-Ansage nach Lindner-Interview: Verband fordert Reichensteuer

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Von: Jens Kiffmeier

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Reiche sollen mehr schultern: Zum Schuldenabbau fordert der Wohlfahrtsverband die Vermögenssteuer. Aber die FDP stellt sich quer. Nur wie lange noch?

Berlin – Aufrüstung der Bundeswehr, teure Entlastungspakete in der Energiekrise und die alten Pandemie-Kosten: Der Schuldenberg in Deutschland ist rasant gewachsen. Innerhalb von drei Jahren kamen 800 Milliarden obendrauf. Doch wer bezahlt die Zeche? Zukünftige Generationen? Oder die Reichen? Der Ruf nach einer Vermögenssteuer wird hierzulande lauter. Nach einem zaghaften Versuch von SPD und Grünen hat der Paritätische Wohlfahrtsverband die Debatte jetzt weiter befeuert und Finanzminister Christian Lindner (FDP) aufgefordert, sein striktes Nein zur Steuerreform aufzugeben. Der Koalition stehen damit wohl noch unruhige Wochen ins Haus.

Vermögenssteuer: Wohlfahrtsverband fordert von Finanzminister Lindner die Einführung

„Die existierenden Herausforderungen und eine sozial und ökologisch gerechte Krisenbewältigung lassen sich ohne Umverteilung nicht meistern“, sagte Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider zu fr.de von IPPPEN.MEDIA und beklagte zugleich eine zunehmende soziale Schieflage in Deutschland. „Die ohnehin Armen und die Menschen, die gerade so hinkamen, sind die am stärksten betroffenen Verlierer.“ Deshalb müsse die Bundesregierung in ihrer Steuerpolitik dringend umsteuern und eine „stärkere Besteuerung großen Reichtums, von sehr hohen Einkommen bis zu Vermögen und Erbschaften“ in Erwägung ziehen.

Fordert eine stärkere Besteuerung von Reichen: Ulrich Schneider vom Paritätischen Wohlfahrtsverband.
Fordert eine stärkere Besteuerung von Reichen: Ulrich Schneider vom Paritätischen Wohlfahrtsverband. © McPhoto/Britta Pedersen/imago/dpa/Montage

Trotz hoher Staatsschulden: Die FDP und Lindner lehnen die Reichensteuer ab – im Gegensatz zur SPD

Für die Bundesregierung birgt die Debatte ordentlich Zündstoff. Denn die FDP wehrt sich trotz der hohen Verschuldung gegen diesen Schritt. Erst in der vergangenen Woche hatte Bundesfinanzminister Lindner im Interview mit unserem Portal das Drehen an der Steuerschraube zum Abbau der Staatsverschuldung kategorisch abgelehnt. „Eine Erhöhung der Steuerlast schließe ich aus“, sagte der Politiker. In der jetzigen Situation bestehe die Gefahr, dass Steuererhöhungen die Konjunktur abwürgen würde. Darüber hinaus sei es auch möglich, durch wirtschaftliches Wachstum innerhalb eines Jahrzehnts aus dem Staatsdefizit wieder „herauszuwachsen“. Eine stärkere Belastung von Besserverdienern oder Reichen sei deshalb nicht nötig, so der Minister.

Doch innerhalb der Koalition steht die FDP mit dieser Linie weitgehend alleine da. So haben SPD-Parteichef Lars Klingbeil und Bundestagspräsidentin Bärbel Bas bereits die Debatte über die Steuergerechtigkeit angestoßen und die Vermögenssteuer ins Spiel gebracht, um die hohen Krisenfolgen schnell gegenfinanzieren zu können. Und auch bei den Grünen gibt es viele Befürworter für die Idee.

Vermögenssteuer: Wie hoch und ab welchen Betrag? Konkrete Vorschläge fehlen noch

„Im internationalen Vergleich birgt die wirklich sehr hohe Ungleichverteilung in Deutschland eine substanzielle Gefahr für den demokratischen Zusammenhalt“, warnte die Finanzexpertin der Grünen-Fraktion, Katharina Beck, in der Welt. Deshalb müsse man sich ernsthaft mit dem Vorschlag des Sachverständigenrates auseinandersetzen, der ebenfalls zu einer Sonderabgabe für Wohlhabenderen rät. Diese Abgabe, so hieß es in dem jüngsten Bericht, könne man auch befristet einführen. Vorschläge, wie hoch und ab welchen Betrag konkret die Vermögenssteuer gelten soll, liegen aber noch nicht auf dem Tisch.

Vermögenssteuer in Deutschland abgeschafft?

Die Vermögenssteuer wird in Deutschland seit 1997 nicht mehr erhoben. Zuvor hatte das Bundesverfassungsgericht einige Regelungen zur Immobilienbewertung moniert. Statt das Gesetz zu reformieren, wurde die Steuer von der damaligen schwarz-gelben Bundesregierung ausgesetzt. Das Vermögensteuergesetz hat jedoch bis heute Bestand, wird aber nicht angewendet. Dennoch werden seitdem immer wieder Vorschläge zur Wiedererhebung der Vermögenssteuer diskutiert.

Beim Wohlfahrtsverband will man den Druck auf Lindner jedenfalls hochhalten. Die Vermögenssteuer sei „nicht nur eine Frage der Gerechtigkeit, sondern auch der Vernunft“, sagte Schneider zu fr.de von IPPEN.MEDIA und fügte hinzu: „Die Entlastungspakete der Bundesregierung, die im Wesentlichen nach dem Gießkannenprinzip funktionieren und Villenbesitzer mit sehr gutem Einkommen unter dem Strich mehr entlasten als einkommensschwache Haushalte, haben die gesellschaftliche Spaltung einmal mehr verschärft.“

Vermögenssteuer in Deutschland: Wohlfahrtsverband pocht auf schnelle Umverteilung

So hätten einkommensschwache Haushalte, die jeden Cent zweimal umdrehen müssten, eine viel höhere individuelle Inflation als Wohlhabende und Vermögende mit hoher Sparquote, die auch in diesem Jahr trotz Energiekrise wieder auf die Auszahlung von hohen Dividenden hoffen dürften. Es sei daher geradezu „zynisch“, so Schneider, dass Lindner die gesamte Bevölkerung nun auf einen Sparkurs zur Rettung der Staatsfinanzen einstimmen wolle.

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