Baerbock in China: Die Außenministerin bricht zu ihrer schwierigsten Mission auf
Annalena Baerbock reist zum Antrittsbesuch nach China. Wirklich willkommen dürfte sich die deutsche Außenministerin in Peking nicht fühlen.
München/Peking – Annalena Baerbock war keine zwei Monate im Amt, da musste sich die deutsche Außenministerin von Chinas Propagandazeitung Global Times als „Großmaul“ beschimpfen lassen. Die „Hardlinerin“ Baerbock vertrete eine „extreme“ China-Politik und verwechsle „richtig und falsch“, zeterte das staatlich kontrollierte Blatt und prophezeite: „Wenn eine deutsche Politikerin den Wald vor lauter Bäumen nicht sieht, wird ihr politisches Leben nicht mehr lange dauern.“ Mehr als ein Jahr ist das nun her, und Baerbock ist, vielleicht zur Überraschung manch chinesischer Zeitungskommentatoren, noch immer im Amt.
Jetzt fliegt die Grünen-Politikerin erstmals in ihrer Rolle als Außenministerin nach China: Baerbock wird zunächst am Donnerstag in der nordostchinesischen Hafenstadt Tianjin mit ihrem chinesischen Amtskollegen Qin Gang sowie Vertretern der deutschen Wirtschaft zusammentreffen. Am Tag darauf folgen in Peking Begegnungen unter anderem mit Chinas oberstem Außenpolitiker Wang Yi, den Baerbock zuletzt auf der Münchner Sicherheitskonferenz traf. Später geht es weiter nach Südkorea und Japan.
Es ist Baerbocks bislang heikelste Reise, offiziell angekündigt wurde der Kurztrip erst wenige Stunden vor Abflug. Kaum hatte am Mittwochvormittag Chinas Außenamt den Besuch bestätigt, fragen die Nutzer auf dem ansonsten streng zensierten sozialen Netzwerk Weibo, warum ihr Land eine „Anti-China-Pionierin“ und „Schoßhündin der USA“ überhaupt empfange. Ein herzliches Willkommen sieht anders aus.
Außenministerin Baerbock in China: Risikominimierung statt Abkoppelung
Deutlich freundlicher war die Stimmung in dem Land, als Bundeskanzler Olaf Scholz im vergangenen November in Peking mit Staats- und Parteichef Xi Jinping zusammenkam. In Peking sieht man Scholz als verlässlichen Verbündeten, der erkannt habe, worum es im Verhältnis zwischen China und Deutschland geht: um wirtschaftlichen Austausch zum beiderseitigen Nutzen, nicht um Abkoppelung und als nervig empfundenes Menschenrechtsgedöns.
Unlängst hatte allerdings auch Außenministerin Baerbock klargemacht, dass sie keine wirtschaftliche Entflechtung von China anstrebe, sondern eine Risikominimierung. Einseitige Abhängigkeiten müssten im Interesse der eigenen Sicherheit reduziert werden, sagte Baerbock vergangene Woche am Rande eines Nato-Treffens in Brüssel. Wie das gehen soll, sollte eigentlich eine deutsche China-Strategie aufzeigen – die allerdings noch immer auf sich warten lässt. Vor der Theorie kommt für Baerbock in China nun also die Praxis.
Unangenehm für Baerbock dürfte dabei werden, dass nur wenige Stunden vor ihrem Abflug bekannt wurde, dass der Einstieg der chinesischen Staatsreederei Cosco beim Hamburger Hafenterminal Tollerort auf der Kippe steht. Denn das Terminal wurde nun als kritische Infrastruktur registriert. Baerbock und ihr Parteikollege, Wirtschaftsminister Robert Habeck, waren zwar von Anfang an gegen das Engagement von Cosco; durchgesetzt hatte sich im vergangenen Oktober allerdings der Kanzler, wenn auch mit einem Kompromiss, der die Beteiligung auf unter 25 Prozent drückte. In Peking dürfte sich Baerbock nun einige unangenehme Fragen anhören müssen, obwohl die Hafenfrage gar nicht in ihren Zuständigkeitsbereich fällt.

Wie weit kommt Baerbock in China mit ihrer „wertegeleiteten Außenpolitik“?
In China wird sich auch zeigen, wie weit Baerbock mit ihrer „wertegeleiteten Außenpolitik“ kommt. Das Thema Menschenrechte stehe jedenfalls prominent auf der Tagesordnung, hieß aus dem Außenministerium. Unklar blieb hingegen, ob Baerbock auch mit Regimegegnern vor Ort sprechen wird oder ob es bei Mahnungen, etwa mit Blick auf Xinjiang und Tibet, bleiben wird. In China ist man es gewöhnt, derartige Belehrungen höflich wegzulächeln.
Über allem stehen aber wohl sowieso zwei noch einmal deutlich brisantere Themen. So will Baerbock mit Qin Gang und Wang Yi auch über den Ukraine-Krieg sprechen und die Rolle, die China in dem Konflikt spielt. Das Land weigert sich, Russlands Angriffskrieg zu verurteilen – und dringt gleichzeitig auf eine friedliche Lösung, ohne aber konkrete Schritte dahin zu unternehmen.
Baerbock sieht eine Vermittlerrolle Chinas wegen seiner Nähe zu Russland ohnehin kritisch, anders als etwa Brasiliens Präsident Luiz Inácia Lula da Silva, der am Freitag von Xi Jinping empfangen wird, oder Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Dieser hatte sich in der vergangenen Woche an Xi die Zähne ausgebissen, als er den chinesischen Präsidenten zu einer aktiveren Rolle bei einer möglichen friedlichen Lösung des Konflikts drängen wollte. Baerbock dürfte mit gedämpften Erwartungen nach Peking reisen.
Nach Macrons Taiwan-Äußerungen: Baerbock muss in China die Dinge richtigstellen
Überhaupt Macron: Der Franzose hatte unlängst auch in der deutschen Politik für einigen Unmut gesorgt, nachdem er in einem Interview gefordert hatte, Europa müsse in der Taiwan-Frage Abstand zu den USA halten, um nicht in einen Konflikt hineingezogen zu werden, der die Europäer nichts angehe. „Wir lehnen uns natürlich eng an die USA an“, hieß es dazu von der Bundesregierung, ansonsten aber wolle man Macrons Äußerungen nicht kommentieren. Für China, das seit Jahren versucht, einen Keil zwischen die USA und Europa zu treiben, war das Macron-Interview jedenfalls ein gefundenes Fressen. An Baerbock liegt es nun, den Chinesen klarzumachen, dass sich die Europäer und ihre amerikanischen Verbündeten mitnichten auseinander dividieren lassen. Und dass eine friedliche Lösung des Taiwan-Konflikts sehr wohl im ureigensten Interesse Europas liegt.
Vor Baerbocks Reise zeigte sich das Außenministerium in Berlin „sehr besorgt“ über die Lage in der Taiwan-Straße. Dort hatte Chinas Militär nach dem USA-Besuch der taiwanischen Präsidentin Tsai Ing-wen mehrere Tage lang unter anderem eine Abriegelung der Insel geprobt. Die kommunistische Volksrepublik betrachtet das demokratisch regierte Taiwan als abtrünnige Provinz und versucht, die Regierung in Taipeh international zu isolieren.
Man erwarte, so eine Sprecherin des Auswärtigen Amts, dass alle Beteiligten „zu Stabilität und Frieden beitragen“. Chinas „Drohgebärden“ stünden dem entgegen. Eine „einseitige Veränderung des Status quo“ lehne Deutschland ab. Auch das dürfte man in Peking nicht gerne hören. Das Umfeld für Baerbocks Antrittsbesuch in China könnte schlechter also kaum sein.