„Folgen für alle Länder“: Im Taiwan-Konflikt warnt Baerbock beim China-Besuch vor „Horrorszenario“
In China warnt Annalena Baerbock vor einer Eskalation in der Taiwan-Straße. Ihr Amtskollege Qin Gang verbittet sich diese Einmischung in „innere Angelegenheiten“.
München/Peking – Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock hat China dazu gedrängt, eine aktivere Rolle bei der Beendigung des Ukraine-Kriegs zu übernehmen. Sie frage sich, „warum die chinesische Positionierung bisher nicht die Aufforderung an den Aggressor Russland beinhaltet, den Krieg zu stoppen“, sagte Baerbock am Freitag in Peking bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit ihrem Amtskollegen Qin Gang. „Wir alle wissen, Präsident Putin hätte jederzeit die Möglichkeit dazu.“ Baerbock, die zum ersten Mal in ihrer Rolle als Außenminister in China ist, und Qin hatten sich zuvor fast zwei Stunden lang zu diesem und anderen Themen ausgetauscht.
China gibt vor, im Ukraine-Krieg eine neutrale Position zu beziehen. Tatsächlich aber unterstützt das Land, zumindest verbal, die Russen. So traf sich Präsident Xi Jinping Ende März im Kreml mit Wladimir Putin; auf eine Einladung des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zu einem Besuch in Kiew ging Xi bislang hingegen nicht ein, auch haben beide Staatsoberhäupter seit Kriegsbeginn nicht miteinander telefoniert. Xis Moskau-Besuch habe gezeigt, welch großen Einfluss China auf Russland habe, sagte Baerbock nun. „Die Entscheidung, wie es diesen Einfluss nutzt, berührt Europas Kerninteressen ganz unmittelbar“, so die Grünen-Politikerin.
Baerbock erinnerte Peking auch an seine besondere Verantwortung als ständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat. Dazu gehöre es, keine Waffen an Russland zu liefern, da dies „diese Aggression weiter verlängern“ werde. Zudem müsse verhindert werden, „dass Dual-Use-Güter für den Krieg genutzt werden“, also Güter, die sowohl für zivile als auch für militärische Zwecke verwendet werden können.
Chinas Außenminister zu Baerbock: „Wir liefern keine Waffen an Konfliktparteien“
Chinas Außenminister Qin Gang betonte auf der gemeinsamen Pressekonferenz: „Wir liefern und werden auch später keine Waffen an Konfliktparteien liefern.“ Außerdem setze sich Peking für Friedensverhandlungen ein. Konkrete Schritte kündige Qin allerdings erneut nicht an. Stattdessen wiederholte er Chinas Position, man wolle „nicht weiter Öl ins Feuer gießen“. Genau das wirft Peking seit Kriegsbeginn der Nato und vor allem den USA vor. Aus chinesischer Sicht sind es gerade die westlichen Waffenlieferungen, die den Krieg verlängern würden; zudem gibt Peking, ganz im Sinne Moskaus, der Nato-Osterweiterung die Schuld an der Eskalation des Konflikts. Die russischen Aggressionen und Kriegsverbrechen verurteilte China bislang nicht öffentlich.
Mit Bezug auf Taiwan sagte Baerbock, eine militärische Eskalation des Konflikts sei ein „Horrorszenario“ und nicht akzeptabel. „Eine Destabilisierung hätte Folgen für alle Länder, die Weltwirtschaft und auch für Deutschland“, so die Außenministerin, die auch auf die Bedeutung der taiwanischen Chip-Industrie hinwies. Taiwan produziert rund 60 Prozent aller weltweit hergestellten Halbleiter und etwa 90 Prozent der besonders fortschrittlichen Chips.
China betrachtet Taiwan als abtrünnige Provinz und will das demokratisch regierte Land mit der Volksrepublik vereinigen, notfalls auch mit Gewalt. Auf der gemeinsamen Pressekonferenz mit Baerbock sagte Außenminister Qin, sein Land dulde keine Einmischung in „innere Angelegenheiten“.
Baerbock in China: Die Spannungen mit Taiwan nehmen zu
Die Spannungen zwischen Peking und Taipeh nahmen zuletzt wieder zu, nachdem die taiwanische Präsidentin Tsai Ing-wen in den USA mit dem Vorsitzenden des US-Repräsentantenhauses, Kevin McCarthy, zusammengetroffen war. China, das Kontakte der taiwanischen Regierung mit ausländischen Regierungsvertretern ablehnt, reagierte auf das Treffen mit einer dreitägigen Militärübung rund um Taiwan. Zudem sendet Peking immer wieder Kriegsschiffe und Kampfjets in die Nähe der Insel – laut taiwanischem Außenministerium wurden am Freitag acht Schiffe sowie vier Flugzeuge gesichtet, von denen eines die Medianlinie, die inoffizielle Grenze zwischen beiden Ländern, überquerte.
Baerbock hatte am Donnerstag zunächst in der Stadt Tianjin östlich von Peking mehrere deutsche Unternehmen sowie eine Schule besucht. Anschließend war sie mit Chinas Außenminister Qin Gang, der aus Tianjin stammt, mit dem Schnellzug nach Peking gefahren. Für Samstag steht ein Treffen mit dem obersten chinesischen Außenpolitiker Wang Yi auf Baerbocks Besuchs-Programm. Anschließend wird sie weiter nach Südkorea und Japan reisen. (sh)