Schummeln mit ChatGPT: Erstes Land verbietet KI im Klassenzimmer

Künstliche Intelligenzen wie ChatGPT sind die heimlichen Stars im Klassenzimmer. In vielen Teilen Australiens ist der Einsatz genau aus diesem Grund verboten.
Brisbane - „Ein Essay über Shakespeare, 2000 Wörter“, tippt ein Siebtklässler in das Dialogfeld von ChatGPT. Knappe zehn Sekunden später ist die Hausaufgabe fertig. Statt stundenlanger Arbeit des Schülers liefert ChatGPT den Aufsatz in Sekunden. Keine große Anstrengung, also auch kein Lernerfolg? So sieht das zumindest die Regierung in weiten Teilen Australiens. Mehrere Bundesstaaten haben den Einsatz des Chatbots, der seit November von OpenAI kostenfrei zugänglich ist, genau aus diesem Grund an Schulen und Universitäten verboten.
„Dieser Aufsatz über Shakespeare könnte dem Lehrer so vorgelegt werden. Meistens sind sogar gar keine Fehler drin. Das kommt daher, dass dieses System auf viele Daten zurückgreifen und diese dann zusammenführen kann“, erklärt Dr. Simone Smala von der School of Education an der University of Queensland in Brisbane dem Münchner Merkur von IPPEN.MEDIA. ChatGPT greift bislang auf ein geschlossenes Datensystem mit Stand September 2021 zu. Alles, was danach passiert ist, „weiß“ die Künstliche Intelligenz (KI) nicht. Der Technologie-Riese Microsoft hat sich jüngst mit zehn Milliarden Dollar ein Stück des Kuchens von ChatGPT gesichert. Mit der geplanten Integration in Microsofts Suchmaschine Bing steht der KI dann das gesamte Internet zur Verfügung, was den Marktführer Google mit seiner ähnlichen KI namens „Bard“ unter Zugzwang setzt.
ChatGPT: Systeme lernen von jedem Benutzer – Gefahr für Verbreitung von Falschinformation
„Diese Systeme lernen von jedem Nutzer. Das heißt, jeder Benutzer gibt dem System Daten, die es auswertet. Wenn ich zum Beispiel eine falsche Quelle entdecke und dazu Feedback gebe, dann kann ChatGPT sich das merken und wird es einbauen. Und da es Millionen von Nutzern gibt, lernt es jeden Tag neue Arten, mit Sachen umzugehen“, sagt Dr. Smala. Aber: Wenn eine große Anzahl an Nutzern bewusst falsche Informationen als richtige bewertet, besteht die Gefahr, dass KIs wie ChatGPT die Falschinformationen nutzen und verbreiten oder bestimmte Vorurteile, die schon existieren, noch verstärken.
„Nehmen wir an, ein Profil von Managern soll erstellt werden. Das Profil ist 100 Prozent männlich. Das heißt, das System hat statistisch erkannt, dass viele Positionen im höheren Management von Männern besetzt werden und hat statistisch ausgeglichen und angenommen, dass dann höchstwahrscheinlich alle Manager männlich sind“, erklärt Smala. Solche Ergebnisse sollen mit dem Einbau in Bing dann laut Microsoft mit Hinweisen versehen werden, auch ethische Stopps und Warnungen vor Verschwörungserzählungen – wie schon in den sozialen Medien teilweise vorhanden – sind notwendig.
Automatisierung der Unterrichtsvorbereitung für Lehrer
Doch es gibt trotz der Probleme gute Gründe, die für die Verwendung von Chatbots im Unterricht sprechen. So können Schüler jederzeit und überall auf Informationen zugreifen und ihr Lernen individualisieren. Doch auch Lehrerinnen und Lehrer können von der Technologie profitieren, wenn sie Teile des Unterrichts automatisieren und mehr Zeit für die kreative Ausarbeitung des Unterrichtsinhalts haben.
„Ich kann ChatGPT zum Beispiel auftragen: Schreibe 200 Wörter über die 16 deutschen Bundesländer. Das wird fünf Sekunden dauern. Dann: Nun stelle fünf Fragen, die auf diesem Text basieren. Oder: Erstelle Rubriken mit den Antworten für Noten von eins bis sechs. Ich kann auch den Befehl geben: Mach eine Liste aller Nomen oder schwierigen Wörter für die Jahrgangsstufe neun, in der Schüler seit zwei Jahren Deutsch lernen und verbinde das mit den Lernzielen des australischen Curriculums für Deutsch”, sagt Smala.
Datenschutz- und Urheberrechtsbedenken
Mit der Einführung der Chatbots im Bildungswesen könnten jedoch einige Berufe in Zukunft überflüssig werden. Tutoren und Nachhilfelehrer könnten durch die Technologie ersetzt werden. Auch Bibliothekare könnten durch Chatbots ersetzt werden, die Fragen zu Recherchen und Quellen beantworten.
Andererseits werden neue Berufe und Branchen entstehen. Die Entwicklung, Programmierung und Wartung von Chatbots erfordert spezialisierte Fähigkeiten und Kenntnisse, die eine neue Art von Arbeitsplätzen schaffen. Darüber hinaus werden Unternehmen, die Chatbots im Bildungsbereich einsetzen, einen Boom erleben und eine führende Rolle in der Branche einnehmen.
Chatbots im Bildungswesen: ein umstrittenes Thema
Insgesamt ist die Verwendung von Chatbots im Bildungswesen ein umstrittenes Thema, das noch viele unbeantwortete Fragen aufwirft. Während einige Schulen und Universitäten die Technologie nutzen, um den Unterricht zu verbessern, bleiben andere skeptisch und verbieten ihre Verwendung. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Technologie entwickelt und wie sich die Einstellungen der Menschen zu ihr verändern werden.