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Von wegen abschalten: FDP beschwört Streit über AKW-Laufzeiten herauf

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Von: Jens Kiffmeier

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Will Atomkraftwerke in Deutschland noch lange weiterlaufen lassen: FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai.
FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai: Die Energiepreisfrage spielt für die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands in den nächsten Jahren eine unglaublich wichtige Rolle © Lino Mirgeler/Michael Kappeler/dpa/Montage

Atomkraft, ja bitte: Die FDP gibt im Streit um die AKWs keine Ruhe und will die Laufzeiten über den April hinaus verlängern. Jetzt droht Ampel-Zoff.

Berlin – Neustart statt Stilllegung: Angesichts der andauernden Energiekrise heizt die FDP die Debatte um den deutschen Atomausstieg neu an. So rücken die Liberalen immer stärker von dem Beschluss der Bundesregierung ab, das letzte AKW in Deutschland im April 2023 auch wirklich abzuschalten.

Die Diskussion angestoßen hatte Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP). Er stellte den geplanten Atomausstieg für April infrage.  Wissing sagte zur Bild-Zeitung, für einen erfolgreichen Hochlauf der Elektromobilität sei es entscheidend, dass die Strompreise nicht aus dem Ruder laufen.

Mit Blick auf die Atomkraftwerke sagte er: „Wenn eine Laufzeitverlängerung einen Beitrag dazu leisten kann, sollte man dies nicht vorschnell ablehnen, alleine schon aus Gründen des Klimaschutzes. Nur wenn der Strom klimaneutral produziert wird, schützt Elektromobilität das Klima.“ Die CDU würde sofort mitmachen. Doch in der Ampel-Koalition dürfte das Thema noch für gereizte Stimmung sorgen.

FDP: Energiepreisfrage spielt für die wirtschaftliche Entwicklung unglaublich wichtige Rolle

Die FDP hatte sich im Streit um Kernkraft schon einmal durchgesetzt. Generalsekretär der FDP, Bijan Djir-Sarai, sagte im Podcast „Politik mit Stil“ von Ruben Giuliano in Kooperation mit IPPEN.MEDIA: Wenn die FDP nicht in dieser Koalition wäre, dann könne man davon ausgehen, „dass die drei am Netz verfügbaren Kernkraftwerke am 31.12. abgeschaltet worden wären. Nur weil die FDP da ist, nur weil wir das so verhandelt haben und nur weil wir das so hart gestellt haben, spielt das Thema noch eine Rolle.“

Wie kann es bei diesem Thema in der Koalition also weitergehen? Die ursprüngliche Position der FDP war, die Kernkraftwerke bis mindestens 2024 weiterlaufen zu lassen. „Die Energiepreisfrage spielt für die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands in den nächsten Jahren eine unglaublich wichtige Rolle“, so Bijan Djir-Sarai. Man müsse derzeit alles tun, um Kapazitäten zu schaffen auf dem Energiemarkt.

Zu der Frage, ob das Thema Verlängerung der Laufzeit der drei Atomkraftwerke Mitte April wieder neu diskutiert wird, sagte der FDP-Generalsekretär: Es hänge davon ab, „wie die Energieentwicklung sein wird. Und da wird es zum gegebenen Zeitpunkt noch einmal eine sachliche Bewertung geben.“

Atomausstieg: Bundesregierung hält AKW nur noch bis April 2023 im Notbetrieb

Eigentlich wäre schon in den kommenden Tagen Schluss mit der Kernenergie in Deutschland. Zum Ende des Jahres sollten die drei verbliebenen Meiler Isar 2, Neckarwestheim 2 und Emsland in Niedersachsen vom Netz gehen. Doch nach dem Ausbruch des Ukraine-Krieges und die damit begonnene Energiekrise fürchtete ein Teil der deutschen Politik um die Versorgungssicherheit im Land während des Winters. Nach zähen Debatten beschloss die Bundesregierung, den Atomausstieg um wenige Monate zu verschieben und die drei AKW in einem Notbetrieb aufrechtzuerhalten. Insbesondere für die Grünen war der Kompromiss mit großen Bauchschmerzen verbunden.

Für Djir-Sarai war die Verschiebung des Ausstiegstermins aber nur ein erster Aufschlag. Man werde jetzt schauen müssen, wie sich die Energiepreise, die für das wirtschaftliche Fortkommen von Deutschland enorm wichtig seien, weiterentwickeln würden. Sollten die Preise für Strom, Gas und Öl dauerhaft hoch bleiben, werde man um eigene Atomkraft vielleicht nicht herumkommen, stellte der Liberale in dem Podcast klar.

Debatte um Atomkraft: CDU pocht ebenfalls auf eine Laufzeitverlängerung bei den AKW

Zumindest in der Opposition stößt der FDP-Plan auf Zustimmung. Nachdem sich in den vergangenen Monaten viele Unionspolitiker für die Atomkraft starkgemacht hatten, sprach sich jetzt auch Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) für verlängerte AKW-Laufzeiten aus: „Ich habe das schon vorher für falsch gehalten, das jetzt zu begrenzen auf den April“, sagte der CDU-Politiker kürzlich bei RTL/ntv. Es dürfe im Moment nicht um Ideologie gehen. „Von daher halte ich es schon für richtig, den Streckbetrieb weiter zu verlängern, um wirklich nichts auszuschließen und auch den Winter 2023/24 wirklich gut zu überstehen.“

Die Laufzeiten zumindest der letzten drei Atomkraftwerke müssten um einige Monate und auf jeden Fall über den nächsten Winter hinaus ausgedehnt werden. „In der Tat ist der Winter 2023/24 der problematischere“, sagte Günther. Es fehle noch „ein bisschen an Vorbereitung“. Das Land sei aber dabei, in Rekordzeit eine Infrastruktur für Flüssiggas-Importe aufzubauen.

Für diesen Winter floss noch in den ersten Monaten des Jahres viel Gas, das auch für die Stromproduktion genutzt werden kann, durch die Pipelines aus Russland. Erst im Sommer ließ Präsident Wladimir Putin den Hahn zudrehen, nachdem Deutschland zusammen mit der Europäischen Union (EU) scharfe Wirtschaftssanktionen erlassen hatte. Bis zu einem Teil waren dadurch die Gasspeicher bereits gut gefüllt, sodass die Bundesregierung nur die entstehende Lücke auffüllen musste. Niemand kann aber verlässlich prognostizieren, wie die Situation im kommenden Jahr ist, wenn von Anfang an kein Gas aus Russland geliefert wird. Jedoch steuern die drei noch am Netz hängenden Atomkraftwerke nur fünf Prozent des deutschen Strombedarfs zu.

Atomkraft, nein danke: Die Grünen um Habeck lehnen die Forderung der FDP ab

Bei den Grünen zeigt man sich verschnupft. Eine Verlängerung der AKW-Laufzeiten sei kein Thema mehr und es würde auch keines mehr werden, sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) nach einem Treffen mit Wissing. Aus seiner Sicht habe Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) „abschließend entschieden“, dass die Atomkraftwerke noch in diesem Winter genutzt werden würden und nicht mehr darüber hinaus.

Ähnlich ließ sich auch Niedersachsens Klimaminister Christian Meyer (Grüne) ein. „Für uns in Niedersachsen ist ganz klar: Wir wollen den Atomausstieg und stehen dazu – ohne Wenn und Aber“, sagte der Minister zu kreiszeitung.de von IPPEN.MEDIA. In der zuletzt geführten Debatte um Laufzeitverlängerungen hätten „viele offenkundig vergessen, dass wir auch in Deutschland jederzeit das Risiko eines schweren Unfalls haben und wir noch gar nicht wissen, wohin mit dem produzierten Atommüll“.

Niederlande, Frankreich und Japan: Im Ausland lebt die Atomkraft wieder auf

Ungeachtet dessen erlebt die Atomkraft aber außerhalb von Deutschland eine kleine Renaissance. Neben Großbritannien, Frankreich und Polen plant auch die Niederlande den Bau neuer Atomkraftwerke. Und selbst in Japan gibt es ein Umdenken. So plant dort die Regierung jetzt eine Verlängerung der Laufzeit bestehender Meiler über die bisherige Begrenzung auf 60 Jahre hinaus. Außerdem sollen Reaktoren der nächsten Generation gebaut werden, um langfristig die alten zu ersetzen.

Damit kehrt die vor Deutschland drittgrößte Volkswirtschaft der Welt vollends vom vorübergehenden Atomausstieg ab, der nach dem Super-GAU im Atomkraftwerk Fukushima Daiichi im März 2011 in Folge eines Erdbebens und Tsunami eingeleitet worden war. Die Katastrophe hatte auch in Deutschland den endgültigen Ausstieg angestoßen. (jkf)

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