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Weil Einschränkungen unbequem sind: Rügens Bürgermeister wollen Russland-Annäherung

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Von: Steffen Maas

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Anstatt Einschränkungen hinzunehmen, würden einige Bürgermeister der Insel Rügen lieber Geld aufs Konto von Kriegstreiber Putin überweisen.

Sassnitz – „Ich liebe es, wenn ein Plan funktioniert“, freute sich der geniale Stratege und Chef des A-Teams in der gleichnamigen TV-Serie aus den 80ern in jeder Folge. Ähnliches wird sich gerade wahrscheinlich Wladimir Putin denken, wenn er vom Positionspapier einiger Bürgermeister der Ostseeinsel Rügen hört, das gerade bei der Staatskanzlei Mecklenburg-Vorpommern und dem Bundeswirtschaftsministerium in den Briefkasten geflattert ist. In diesem Schreiben fordern die Verwaltungschefs um den Sassnitzer Bürgermeister Frank Kracht (parteilos) die Inbetriebnahme einer russischen Pipeline.

Name der Insel:Rügen
Gewässer:Ostsee
Fläche:926,4 Quadratkilometer
Einwohner:62.990

Die politischen Entscheidungen in Deutschland werden von den Initiatoren des Briefes, zu denen die Verwaltungsoberhäupter aus Sassnitz, Bergen, Sellin, Binz, Baabe, Mönchgut und Putbus gehören, in Zweifel gezogen. „Wir sind der Meinung, dass der von der Bundesregierung eingeschlagene Weg, sich von den Energieträgern Russlands zu trennen, nicht der Richtige ist“, heißt es. Um die Energiesicherheit, insbesondere die Versorgung mit Gas, ausreichend zu gewährleisten, empfehle man zusätzlich zu Nord Stream 1 die Nutzung von Nord Stream 2.

Gaskrise: Putin drosselt Lieferungen und erpresst Europa

Doch kurz zurück zu Putins Plan: Der russische Präsident drosselt seit geraumer Zeit unter fadenscheinigen Vorwänden die Gas-Lieferungen nach Europa – zuletzt aufgrund von angeblichen technischen Schwierigkeiten von 40 auf 20 Prozent der Kapazität von Nord Stream 1 – und bringt dabei jedes Mal gerne die bereits gebaute, aber nicht zertifizierte Pipeline Nord Stream 2 ins Spiel, mit der ja alles besser laufen würde.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Die Grünen) deckte die Strategie dahinter beim Krisengipfel der europäischen Energieminister relativ einfach auf: Putin wolle Europa mit der Gas-Knappheit erpressen, um sich zurück in die wirtschaftlichen Verhandlungszimmer zu bringen, aus denen er seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen Ukraine verbannt wurde, und die große Unterstützung der Gesellschaft für die ukrainischen Interessen spalten.

Sassnitz-Bürgermeister Frank Kracht: „Möchten keine weiteren Einschränkungen hinnehmen müssen.“

Das geopolitische Powerplay des russischen Präsidenten scheint aber zumindest bei den sieben Bürgermeisterinnen und Bürgermeister auf Rügen zu fruchten. Im Gespräch mit dem Norddeutschen Rundfunk am Mittwoch umschifft Frank Kracht die zahlreichen Einwände von Journalist Frank Breuner mehr oder weniger elegant, pocht auf die Stichworte Energiesicherheit und Daseinsvorsorge und wirft schließlich Solidarität aus Gründen der Bequemlichkeit ganz über Bord: „Wir möchten als Bürgermeister dieser Insel, dass wir keine weiteren Einschränkungen hinnehmen müssen.“

Bürgermeister Frank Kracht auf Rügen für die Inbetriebnahme von Nord Stream 2
„Wir stehen zu Nord Stream 2“ stand schon im Wahlkampf 2020 auf dem Plakat hinter Frank Kracht (parteilos), Bürgermeister von Sassnitz auf Rügen. © Stefan Sauer/dpa

Im Positionspapier ist zwar die Rede davon, dass man das Kriegsgeschehen aufs Schärfste verurteile, Konsequenzen für den Kriegsaggressor soll es aber anscheinend nicht geben. Von einem Umdenken in den Beziehungen mit Russland und einem diplomatischen Weg ist die Rede – wie dieser aussehen soll, wird nicht erläutert. Eingebettet ist das Ganze in generelle Kritik an dem geplanten Kurswechsel bei der deutschen Energieversorgung mitsamt Ablehnung von Windkraftanlagen.

Staatskanzlei Mecklenburg-Vorpommern: Kühle Antwort aus dem Büro von Manuela Schwesig

Die Landesregierung habe den Brief der Bürgermeister von Rügen zur Kenntnis genommen, sagte derweil Regierungssprecher Andreas Timm. Die darin zu Nord Stream 2 aufgeworfene Frage stelle sich aber nicht. „Die Bundesregierung hat Ende Februar die Zertifizierung und damit die Inbetriebnahme von Nord Stream 2 gestoppt.“

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„Die Landesregierung in Mecklenburg-Vorpommern hat diese Entscheidung unterstützt. Wir alle wünschen uns, dass es Frieden gibt. Aber der brutale Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine dauert leider weiter an“, konstatierte Timm. Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) hatte die Fertigstellung der Pipeline massiv unterstützt, war nach dem Beginn des Krieges in der Ukraine aber auf Distanz zu dem Projekt gegangen.

Energieexpertin findet Nord-Stream-2-Forderung „absurd“

Kritik und Unverständnis gibt es auch von Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, die den Vorschlag, auf Nord Stream 2 zu setzen, „absurd“ finde, wie sie dem NDR mitteilte. Wenn Russland wirklich liefern wollte, könnte es das heute schon tun, so Kemfert weiter.

„Ich denke schon, dass es politische Gründe hat, dass man diese Pipeline ins Spiel bringt und sie jetzt unbedingt ans Netz bringen oder zumindest das diskutieren lassen will, um zu spalten. Das ist sowieso das Hauptziel in jeglicher Hinsicht. Rein technisch ist es nicht ratsam und aus politischen Gründen auch nicht.“ (Mit Material der dpa.)

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