„Verstörend“: Kunstwerk mitten in Hamburg soll an Nazi-Gewalt erinnern
An der Stadthausbrücke wurde nun die Bodenskulptur „Stigma“ freigegeben. Sie soll die Fußgänger an die Gewalt der NS-Zeit erinnern.
Hamburg – Breit und unregelmäßig ziehen sich die roten Risse durch den Gehweg vor dem Stadhaus, Fußgänger kommen nicht daran vorbei. Als Narbe vor den sorgfältig restaurierten Stadthöfen soll das Kunstwerk „Stigma“ allein durch den Kontrast die Menschen zum Nachdenken anregen: Auch wenn die sichtbaren Wunden des Nationalsozialismus verheilt sind, bleiben in Hamburg Erinnerungen. So wie hier vor der ehemaligen norddeutschen Zentrale der Gestapo.
Name: | Stigma |
Künstlerinnen: | Andrea Knobloch und Ute Vorkoeper |
Baubeginn: | Oktober 2021 |
Ort: | Stadthöfe; Ecke Stadthausbrücke/Neuer Wall |
Fläche: | 200 Quadratmeter |
Stadthaus Hamburg: „Stigma“ soll an Gewalt der NS-Zeit erinnern
„Stigma ist und bleibt verstörend“, unterstrichen die beiden verantwortlichen Künstlerinnen, Andrea Knobloch und Ute Vorkoeper, bei der Vorstellung des Projektes. Stigma rufe „en passant die heikle Geschichte des Umgangs mit der NS-Vergangenheit und das Leid der Menschen in Erinnerung, denen an diesem Ort Unrecht und Gewalt angetan wurde.“
Wohl nicht zufällig kann die Bodenskulptur deshalb auch als Blutlache oder -spur wahrgenommen werden – auch, wenn „Stigma“ explizit ohne Erklärung und Infotexte auskommt. Das Kunstwerk soll Fußgänger allein durch sein Aussehen und seinen ungewöhnlichen, federnden Untergrund automatisch einen Denkanstoß geben.

Kultursenator Brosda: „Erinnert sichtbar und spürbar an die Verbrechen“
„Direkt vor den Stadthöfen erinnert das Kunstwerk Stigma künftig weithin sichtbar und spürbar an die Verbrechen, die an diesem Ort begangen wurden“, erklärte Kultursenator Carsten Brosda anlässlich der offiziellen Fertigstellung am Dienstag, 21. Juni. „Andrea Knobloch und Ute Vorkoeper haben ein Denkzeichen geschaffen, an dem man buchstäblich nicht vorbeikommt.“

Für das Mahnmal wurde auf rund 200 Quadratmetern der Fußweg aufgebrochen und entlang der Bruchkanten mit weichem, hellrotem Gummigranulat aufgefüllt. So sei eine ebene, markant federnde und farbige Oberfläche als deutlich sichtbare und spürbare Spur im Bürgersteig entstanden, teilte die Kulturbehörde am Dienstag mit. Im Zuge der Aufarbeitung der NS-Vergangenheit plant die Stadt ebenfalls, in den kommenden Jahren etliche Straßennamen zu ändern.
„Zentrale des Terrors“: Stadthaus damals Büro der Gestapo
Während der NS-Herrschaft war der Gebäudekomplex am Neuen Wall/Stadthausbrücke bis zu seiner Ausbombung 1943 die „Zentrale des Terrors“ in Hamburg – hier waren das Polizeipräsidium sowie die norddeutschen Leitstellen von Kriminalpolizei und Gestapo untergebracht.
Seit Anfang 2020 erinnert eine Dauerausstellung neben einer Fachbuchhandlung und einem Literaturcafé an die historische Bedeutung des Ortes. Wegen der Insolvenz der Buchhandlung ist sie zurzeit allerdings nicht zugänglich. Nach Angaben der Kulturbehörde soll die KZ-Gedenkstätte Neuengamme demnächst die Ausstellung übernehmen. Bereits 1981 war eine Gedenktafel an dem Gebäude angebracht worden.
Die beiden Künstlerinnen der Kunst-Initiative „missing icons“ hatten 2019 mit ihrem Projekt „Stigma“ einen Wettbewerb der Kulturbehörde gewonnen. Auf Vorschlag des Beirats zur Begleitung und Entwicklung des historischen Ortes hatte die Stadt insgesamt 280.000 Euro für ein „Denkzeichen“ bereitgestellt. (Mit Material der dpa.)