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Niederlande: Supermarkt baut „Plauderkassen“ aus – Hamburger warten noch darauf

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Von: Lia Stoike

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Ein Supermarkt in den Niederlanden möchte langsame „Plauderkassen“ gegen Einsamkeit einführen. Wann Hamburg den Trend mitmacht, ist ungewiss.

Niederlande/Hamburg – Hektisch ziehen Kassierer Brot, Kaugummis oder Toilettenpapier über den Waren-Scanner. Das geschieht in einem rasanten Tempo. Es ist kaum Zeit, die Einkäufe zu verstauen oder ein Wort mit dem Kassierenden zu wechseln. Eine niederländische Supermarkt-Kette möchte deshalb weitere 200 „Plauderkassen“ gegen Einsamkeit etablieren. Supermärkte in Hamburg scheinen nicht so weit zu sein.

Name:Jumbo
Ort:Niederlande
Gründung:1979
Mitarbeiterzahl:85.000 (2020)

Niederlande: Supermarkt führt „Plauderkassen“ ein – Hamburger begeistert von Konzept

„Toll, die Holländer sind uns in vielen Dingen eh voraus“, schreibt ein Mann auf Facebook, der über einen Beitrag von den „Plauderkassen“ erfahren hat. In den sozialen Medien erntet das Konzept viel Zustimmung. Eine Frau schreibt: „Würde ich mir als Kassiererin auch wünschen.“ Die Einsamkeit vieler Menschen könne so für einen kurzen Moment in den Hintergrund rücken.

Trotz der Zustimmung und Begeisterung ist der Trend in Hamburg noch nicht angekommen. Besonders Discounter, wie Filialen der Firma Aldi Deutschland, sind für ihre Hektik an den Kassen bekannt. Das Tempo der Kassierer: legendär. Deshalb lassen sich Kunden hin und wieder Strategien einfallen, um dem Stress beim Einpacken entgegenzuwirken. So wie dieser TikToker aus Los Angeles, die einen Trick für entspannteres Einpacken verrät.

„Plauderkassen“ bei Aldi Nord ein Modell? Unternehmen macht sich rar

Aldi-Kassierer werden dazu angehalten, möglichst schnell zu arbeiten, damit die Preise des Discounters niedrig bleiben. Dennoch hatte das Unternehmen erst im vergangenen Jahr ein neues Kassensystem ohne Kassierer eingeführt. Ein Modell, wie in den Niederlanden, dürfte dennoch nicht den Vorgaben entsprechen. Auf Nachfrage von 24hamburg.de äußerte sich Aldi Nord vielleicht aus diesem Grund bislang nicht.

Edeka Nord hingegen schon. Doch die Supermarkt-Kette hat keine erfreulichen Nachrichten für Fans langsamer Kassen „Nach Rücksprache mit den zuständigen Kollegen und Kolleginnen sind uns gezielte „Plauderkassen“, nach dem niederländischen Vorbild in Hamburg nicht bekannt“, sagt Unternehmenssprecherin Helene Dahlke.

Edeka-Kaufleute frei bei der Gestaltung des Kassierens – aber bislang keine „Plauderkassen“ in Hamburg

Die Edeka-Kaufleute arbeiten aufgrund der genossenschaftlichen Struktur autark, seien daher frei bei der Gestaltung ihrer Art zu kassieren, so Dahlke. Dabei schwimmen manche der Kaufleute bereits stark gegen den Strom: Bei einem kleinen Edeka in der Rostocker Innenstadt, in der Breite Straße, sind die Ladenregale beispielsweise kreisförmig angelegt. Das Kassieren nur über Selbstbedienungskassen möglich.

Kein neues Konzept: „Plauderkassen“ gibt es schon seit 2019 in den Niederlanden

Das Konzept „Plauderkasse“ wäre bei Edekas in Hamburg also am ehesten denkbar. Neu ist es allerdings auch nicht: 2019 wurden die ersten langsamen Kassen und kleine Sitzecken für Gespräche in Supermärkten eingeführt. Dass die Kette Jumbo nun diesen Zweig ausbauen möchte, liegt an der Einsamkeit während der Corona-Pandemie.

Eine extra langsame Kasse im niederländischen Supermarkt Jumbo
In der Supermarkt-Kette „Jumbo“ soll es künftig „Plauderkassen“ geben, die Gespräche mit den Kassierenden ermöglichen. (Symbolbild) © ANP/imago

Wie die Deutsche Presseagentur (dpa) im Oktober 2020 mitteilte, warnten Forscher vor den schweren Folgen der Einsamkeit. „Die Zahl der Menschen fast ohne jeden menschlichen Kontakt in einer Großstadt ist größer als man denkt“, sagte der Leiter des Fachbereichs Beratung und Seelsorge beim Diakonischen Werk Hamburg, Stefan Deutschmann. 

Hamburger Telefonseelsorge: In der Pandemie-Zeit deutlich mehr zu tun

Die Hamburger Telefonseelsorge hatte in der ersten Phase der Corona-Pandemie zwischen Mitte März und Mitte Mai 25 bis 30 Prozent mehr Anrufe bekommen als sonst. In rund 40 Prozent der Telefonate seien die Einschränkungen, Verunsicherungen und Veränderungen durch die Pandemie Hauptthema gewesen.

Digitalisierung und demografischer Wandel: Einsamkeit schon ab 60 Jahren ein Problem

Nach Einschätzungen der Stiftung Patientenschutz sei die größte Volkskrankheit Einsamkeit. Nicht nur Hochbetagte seien betroffen, das Alleinsein beginne bei vielen Menschen schon ab 60 – eine seelische Belastung. Aktuelle Entwicklungen, wie z. B. der demografische Wandel, die Digitalisierung oder die Corona-Pandemie führen dazu, dass uns das Thema Einsamkeit auch zukünftig weiter begleiten wird, so der Deutsche Bundestag.

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