Schluss mit Nazi-Sprache: Senat will den Begriff „Rasse“ im Gesetz ersetzen
Der Hamburger Senat will die Worte „Rasse“ und „rassisch“ im Landesrecht ersetzen. Der Grund ist simpel: Unterschiedliche Menschenrassen gibt es nicht.
Hamburg – Noch finden sich im deutschen Grundgesetz und im Hamburger Landesgesetz Formulierungen, die Benachteiligungen aufgrund der „Rasse“ oder „rassische Verfolgung“ verbieten. Die Idee dahinter: völlig richtig und mittlerweile glücklicherweise selbstverständlich. Die Wortwahl? Problematisch. Deswegen hat der Hamburger Senat jetzt einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der den Text des Landesrechtes ändern würde: Die Begriffe „Rasse“ und „rassisch“ würden ersetzt. In der Sitzung der Hamburgischen Bürgerschaft am Mittwoch, 7. September 2022, wird der Entwurf des rot-grünen Senats zunächst diskutiert.
Name: | Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg |
---|---|
Kurztitel: | Hamburgische Verfassung |
Art: | Landesgesetz |
Ursprüngliche (vorläufige) Fassung: | 15. Mai 1946 |
Inkrafttreten Neufassung: | 1. Juli 1952 |
Hamburger Senat: Distanzierung von problematischen Rassentheorien
Viel Gegenwehr sollte es dabei im Rathaus eigentlich nicht geben, denn die Begründung und Faktenlage ist klar: Der Gesetzesentwurf „bezweckt die Anpassung an wissenschaftliche und gesellschaftspolitische Entwicklungen. Unterschiedliche ‚Menschenrassen‘ gibt es nicht“, stellt der Senat in der Mitteilung an die Bürgerschaft klar.
Nachrichten aus Hamburg direkt aufs Handy – ganz einfach via Telegram
Die ursprünglichen Formulierungen sind dabei nicht nur Überbleibsel veralteter Pseudowissenschaft, sondern auch der Nazi-Vergangenheit Deutschlands: „Die verwendeten Begriffe „Rasse“ und „rassisch“ legen ein gesellschaftliches Konstrukt zugrunde, welches gerade dem nationalsozialistischen Duktus folgt.“ Das Gesetz diene der Distanzierung von Theorien, „die, die Existenz verschiedener menschlicher Rassen behaupten.“
Hamburgisches Landesrecht: Schutz vor rassistischen Diskriminierungen
Weil die Idee hinter den rechtlichen Formulierungen – also, dass es verboten ist, Menschen aufgrund ihrer Herkunft oder Ethnie zu benachteiligen – absolut richtig ist, kann der Begriff aber nicht ersatzlos gestrichen werden. Im Kern dienen die bestehenden Rechtsnormen dem Schutz vor rassistischer Diskriminierung, was 1946 in der vorläufigen Hamburgischen Verfassung und 1952 in ihrer Neufassung eine wichtige Abgrenzung zur Nazi-Ideologie war.
Sprachkurs: Keine Rassen – aber Rassismus?
Wer in dieser zugegebenermaßen recht detailorientierten semantischen Kleinarbeit den Überblick verliert, der wird sich eventuell fragen: Wenn es keine menschlichen Rassen gibt, wieso heißt es dann Rassismus?
Dazu muss man zunächst festhalten, dass der Begriff „Rassismus“ zu Beginn des 20. Jahrhunderts aufkam, um kritisch zu beschreiben, dass sich politische Ideologien damals noch nicht widerlegten pseudowissenschaftlichen „Erkenntnissen“ bedienten, um eine „Rasse“ von Menschen einer anderen Gruppe überzuordnen. Mittlerweile ist der Begriff deutlich ausgeweitet worden und beschreibt die Diskriminierung treffender aufgrund von Hautfarbe, Abstammung, nationaler und ethnischer Herkunft.
Aber: Die direkte Übersetzung „race“ ist etwa im amerikanischen Sprachgebrauch deutlich weniger aufgeladen und wird im dortigen Sprachgebrauch etwas lockerer verwendet. Die direkte Verknüpfung des Begriffs an fehlgeleitete Theorien genetischer Rassenzugehörigkeit, wie sie hierzulande von den Nazis etabliert wurde, existiert in Amerika höchstens in Fachkreisen, aber nicht im umgangssprachlichen Gebrauch.
Zur Begriffskonkretisierung verweist der Hamburger Senat auf das Verständnis des Begriffs „rassistisch“ des Deutschen Instituts für Menschenrechte (DIMR): „Rassismus basiert auf der Vorstellung der Existenz unterschiedlicher Menschengruppen in der Bevölkerung. Der Kreis der Betroffenen kann sich von Gesellschaft zu Gesellschaft unterscheiden und sich im Laufe der Geschichte ändern. Die Unterscheidung wird dabei anhand von Kriterien wie Herkunft, Religionszugehörigkeit, Abstammung oder körperlichen Merkmalen wie insbesondere Hautfarbe oder Gesichtszügen vorgenommen.“
Der Senat plant nun, alle Nennungen durch das Adjektiv „rassistisch“ zu ersetzen. „Die Verwendung des Adjektivs ‚rassistisch‘ stellt sicher, dass der Schutz vor rassistischen Diskriminierungen gewährleistet und der jetzige Schutzbereich der betroffenen Rechtsnormen erhalten bleibt“, heißt es in der Erklärung.
Forscher einig: „Das Konzept der Rasse hat keine genetische oder wissenschaftliche Grundlage“
Wichtig ist: Der rot-grüne Senat der Hansestadt Hamburg liegt mit den angestrebten Veränderungen voll auf der Linie der modernen Wissenschaft. Im Jahr 2000 stellte einer der amerikanische Vorreiter der DNA-Sequenzierung, Craig Venter, im Rahmen der Veröffentlichung einer bahnbrechenden Studie klar: „Das Konzept der Rasse hat keine genetische oder wissenschaftliche Grundlage.“

Ganz im Gegenteil: Würde ein deutscher Rassist auf Spurensuche im eigenen Genom gehen, würde er mit ziemlicher Sicherheit herausfinden, was der Wissenschaft seit geraumer Zeit bekannt ist: Im Prinzip stammen alle heute lebenden Menschen vom Afrikaner ab. Durch Völkerwanderung, Migration und Vermengung von verschiedenen Populationen ist das menschliche Genom heute ein Sammelsurium an verschiedenen genetischen Markern und Ausprägungen.
Das Resultat: „Unter den drei Milliarden Positionen des menschlichen Genoms gibt es tatsächlich keine Stelle, an der etwa alle Europäer ein A haben und alle Asiaten oder Afrikaner ein C.“ Das sagte Genetiker Johannes Krause im vergangenen Jahr im Interview mit Spektrum. Diesen Fakt hielt der Wissenschaftler mit mehreren Forscherkollegen in der sogenannten Jenaer Erklärung fest: „Es gibt – um es explizit zu sagen – somit nicht nur kein einziges Gen, welches ‚rassische‘ Unterschiede begründet, sondern noch nicht mal ein einziges Basenpaar.“
Grundgesetz: Fehlgeschlagener Versuch der Großen Koalition – Ampel will es erneut probieren
Nun versucht der Hamburger Senat, dieser Erkenntnis zu entsprechen, indem es die Begriffe „Rasse“ und „rassisch“ zunächst aus den Gesetzestexten verbannt – und damit hoffentlich einen Beitrag leistet, dass sie auch irgendwann aus den Köpfen der Menschen verschwinden.
24hamburg.de-Newsletter
Im Newsletter von 24hamburg.de stellt unsere Redaktion Inhalte aus Hamburg, Norddeutschland und über den HSV zusammen. Täglich um 8:30 Uhr landen sechs aktuelle Artikel in Ihrem Mail-Postfach – die Anmeldung ist kostenlos, eine Abmeldung per Klick am Ende jeder verschickten Newsletter-Ausgabe unkompliziert möglich.
Der Vorstoß ist dabei generell gar nicht neu. Viele werden sich an den Versuch der GroKo-Regierung erinnern, den Begriff „Rasse“ im Grundgesetz zu ersetzen. Von CDU/CSU kamen in der Hinsicht immer wieder befürwortende Beiträge – letzten Endes ließ man den Koalitionspartner SPD jedoch wütend zurück, nachdem man zum Ende der Regierungsperiode im Juni 2021 achselzuckend von zu wenig Zeit für einen Gesetzesentwurf gesprochen hatte.
Auch im Koalitionsvertrag der neuen Regierung aus SPD, Grünen und FPD ist das Vorhaben verankert, den Begriff endlich ersetzen zu wollen. Bisher ist zum weiteren Vorgehen jedoch noch nichts bekannt.