Müll, Kot und Urin in St. Georg: Anwohner stocksauer – „Lösung muss her“

Täglich laden Unbekannte ihren Unrat an Wohnhäusern und Hauseingängen in St. Georg ab oder nutzen sie als Toilette, zum Ärger der Anwohner. Die Stadt schaut weg, finden Anwohner.
Hamburg – Alte Koffer, volle blaue Säcke mit Kleidung und sogar medizinisches Zubehör wie Sauger oder Tupfer liegen auf der Auffahrt eines Hauses in der Langen Reihe, St. Georg. Was zuerst an einen extravaganten Flohmarkt erinnert, ist in Wirklichkeit Müll, abgeladen von Unbekannten. Gar nicht weit entfernt von diesem Schauplatz stolpern Anwohner beim Hineingehen in das Wohnhaus über menschliche Fäkalien. Ein Hamburger Anwohner ist stinksauer und macht seiner Verzweiflung Luft.
Name: | St. Georg |
Bezirk: | Hamburg-Mitte |
Fläche: | 180 Hektar |
Einwohnerzahl: | 11.467 |
Müll, Kot und Urin in St. Georg: Anwohner blickt aus dem Wohnzimmer auf menschlichen Kot
Wenn Raffael Goihman (55) aus dem Fenster seiner Wohnung in St. Georg schaut, steigen Wut und Ekel in ihm hoch: Zerschlagene Flaschen, altes Papier und Haufen von menschlichem Kot stechen ihm wie ein Dorn direkt ins Auge. „Ich bezahle viel Geld, um in dieser schönen Stadt wohnen zu können, aber keiner unternimmt etwas gegen den Dreck.“
Dilemma in St. Georg: Stadtreinigung kommt dem Müll nicht hinterher
Es sei ein Dilemma: Die Stadtreinigung komme auf der einen Seite, was die Verdreckung der Straßen angeht, gar nicht hinterher. Viel zu selten kommen Mitarbeiter, um beispielsweise die Lange Reihe zu säubern, so Goihman. Zudem dauere es teilweise eine Woche, bis gemeldete Fäkalien entsorgt würden. „Das ist nämlich Sondermüll.“

Auf der anderen Seite sei sie nicht zuständig, wenn Fäkalien und Müll in Eingangsbereichen oder auf Auffahrten gefunden werden, da es sich Privatbesitz handele. Hauseigentürmer kümmern sich nur teilweise, manche Anwohner seien mittlerweile abgestumpft und ignorieren den Dreck. Doch auch die Stadt unternehme nichts, seiner Meinung nach.
Anwohner wünscht sich Straßenfeger, der den ganzen Tag St. Georg säubert
„Es könnte zum Beispiel ein Straßenfeger eingestellt werden, der den ganzen Tag in St. Georg für Ordnung und Sauberkeit sorgt.“ Arbeitslose gebe es schließlich genug und auch einige, die gerne bei der Stadtreinigung arbeiten würden, so Goihman. Aus seiner Sicht seien vorwiegend Obdachlose für den Unrat verantwortlich. Gegen die habe er nichts, im Gegenteil findet er es wichtig, dass hier die Stadt mehr tut: „Es handelt sich um einen Brennpunkt, dafür ist die Stadt zuständig.“
- Hier sind WCs an der Langen Reihe/Hansaplatz
- am Heidi-Kabel-Platz (24 Stunden geöffnet)
- Stralsunder Straße/Ecke Steindamm(24 Stunden geöffnet)
- auf dem Hansaplatz (24 Stunden geöffnet)
- An der Alster Nr. 28 (saisonal geöffnet)
- Toilette in der Bülaustraße (tagsüber geöffnet)
St. Pauli hat hier bereits 2015 zumindest eine Lösung gegen „Wildpinkler“ gefunden, um den zunehmenden Urin-Gestank einzudämmen: Durch die Verwendung eines speziellen Lacks, der den Urin abweist, wurde „zurück gepinkelt“, wie Welt.de berichtet. Eine Idee, von der Raffael Goihman noch träumt. Der Hamburger, der bereits seit 25 Jahren in St. Georg heimisch ist, erinnert sich an bessere Zeiten.
Anwohner aus St. Georg fordert wegen Müll-Problem: „Es muss eine Lösung her“
„Damals konntest du im Lohmühlenpark im Sommer noch auf der Wiese liegen, ohne in Scheiße, Spitzennadeln oder Müll zu treten.“ Er ist nicht der Einzige, der sich nach mehr Sauberkeit in seinem Heimat-Stadtteil sehnt. „Es muss eine Lösung her“, fordert der 55-Jährige. Das sehen auch andere Anwohner so. „Hört endlich auf, euren Dreck abzuladen“, schreibt eine wütende Facebook-Nutzerin, die in der Langen Reihe wohnt.
Sie teilt Fotos mit den anderen Nutzern. „Kot und Urin haben wir hier auch reichlich“, schreibt sie dazu. Ein Nutzer meint: „Also im Allgemeinen gibt es in ganz Hamburg deutlich zu wenig öffentliche WCs.“ Ein Nutzer äußert zynisch: „St. Georg ist eine öffentliche Toilette.“ Der Stadtreinigung ist das Problem bekannt.
Stadtreinigung stellt klar: 23 Papierkörbe für die Müllentsorgung in der Langen Reihe
Pressesprecher Johann Gerner-Beuerle sagt: „Wir stellen allein in der Langen Reihe 23 Papierkörbe für die Entsorgung bereit.“ Nur diese Straße werde bereits fünfmal pro Woche gereinigt. „Das ist schon eine hohe Frequenz“, so der Pressesprecher. Aufgrund der starken Verschmutzung in dem Gebiet werde diese allerdings nochmal gesteigert.
Reinigung säubert die Lange Reihe in St. Georg ab April einmal häufiger pro Woche
„Ab dem ersten April reinigen wir sechsmal pro Woche.“ Auch betreibe die Stadtreinigung mehrere Toilettenanlagen, die sich in Fußentfernung zur Langen Reihe befinden. Weitere WCs am Hansaplatz erweitern das Angebot. Fast alle Toiletten seien 24 Stunden am Tag kostenlos nutzbar. Gegen verschmutzte Hauseingänge oder Auffahrten könne die Stadtreinigung allerdings nichts unternehmen. „Dies ist Sache der Hausgemeinschaft.“

Eine neue App für Müllentsorgung aus Schweden, die auch in Hamburg langsam Fuß fasst, könnte in St. Georg zumindest zum Teil Abhilfe verschaffen. „Tipptapp“ biete laut Sprecher Daniel Barth einen Service, um recyclebare Gegenstände sekundenschnell loszuwerden. Im vergangenen Jahr wurde die App 299.560 Mal genutzt, um Hilfe zu bitten.
Müll-App aus Schweden: Nutzer verdienen 7,5 Millionen Euro mit Abfall
7,5 Millionen Euro wurden an Nutzer ausgezahlt, die sich durch Hilfe beim Transport von Gegenständen oder der Wiederverwertung von Abfall etwas dazuverdienen wollten. Hier finden Sie außerdem die Öffnungszeiten der Recyclingshöfe in Hamburg. Solche Apps kenne der 55-Jährige aus der Erfahrung. Unter anderem mit jener von der Stadtreinigung.
Anwohner aus St. Georg: „Mit Sauberkeit fängt es an, dass sich Menschen wohlfühlen“
Für Anwohner in St. Georg sei dies keine große Hilfe, so Goihman. „Wenn man die zu häufig benutzt, wird man ignoriert oder blockiert“, schildert er. Er ist verzweifelt und fühlt sich dem Dreck hilflos ausgeliefert. Goihman sagt: „Mit Sauberkeit fängt es an, dass sich die Menschen sich wohlfühlen.“