Anti-Gender-Initiative schockiert mit homophoben Aussagen – CDU nimmt Abstand
Die Sprecherin der kontroversen Hamburger Initiative gegen die Gender-Sprache fällt mit homophoben Äußerungen auf. Die CDU sitzt jetzt mit im Boot – und distanziert sich.
Hamburg – Beim Kampf gegen die Gender-Sprache hat sich in Hamburg anscheinend ein Traumpaar gefunden: die CDU und die Volksinitiative „Schluss mit Gender-Sprache in Verwaltung und Bildung“. Im Eifer des Sprach-Gefechtes ist unklar, wer hier eigentlich wen vor den Karren spannt, zuletzt schien man sowieso eher Hand in Hand gegen die große Gefahr von Gendersternchen und -doppelpunkt vorzugehen. Nach homophoben Äußerungen der Sprecherin der Initiative musste sich die Hamburger CDU jetzt die Frage gefallen lassen, mit wem sie sich da eigentlich verbrüdert, beziehungsweise verschwestert.
Name: | CDU Hamburg |
---|---|
Art: | Landesverband |
Vorsitzender: | Christoph Ploß |
Fraktionsvorsitzender in der Bürgerschaft: | Dennis Thering |
Anti-Gender-Initiative gegen „ideologisierte Sprache“: Alles nur PR für Minderheiten?
Das Gesicht der Volksinitiative, die in dieser Woche die erste rechtliche Hürde genommen hat und offiziell auf Unterschriften-Fang gehen darf, ist die Hamburgerin Sabine Mertens. Gegenüber dem Hamburger Abendblatt äußerte die Kunsttherapeutin jetzt ihre große Sorge um die deutsche Sprache – und offenbart gleichzeitig mindestens genauso großen Mangel an Mitgefühl für ihre Mitmenschen. Im Widerstand gegen „ideologisierte Sprache“, die den Massen von oben aufgezwungen werde, nutzt sie Kampfbegriffe und bezeichnet die gendergerechte Sprache als „feministische Propaganda“ und „PR-Maßnahme der LGBTQ-Bewegung“.
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Gut – dass sie den Versuch von Frauen und queeren Menschen, sich in einer nach wie vor auf Männer zugeschnittenen Welt Gehör zu verschaffen, anscheinend als etwas Negatives auslegt, könnte man ihr bei wohlwollender Betrachtung noch als ignorant durchgehen lassen. Doch mit weiteren Aussagen, offenbart Mertens im Abendblatt-Gespräch, wessen Geistes Kind sie ist – und wie wenig ihr Kampf gegen die Gendersprache anscheinend mit Hingabe zur deutschen Sprache zu tun hat.
Homosexualität ist unnormal: Initiativen-Sprecherin Mertens offenbart homophobe Ansichten
Laut Initiativen-Sprecherin Sabine Mertens sei es eine „Tatsache“, „dass sich normalerweise Männer und Frauen zum anderen Geschlecht hingezogen fühlen“. Der Duden, den Mertens als Sprach-Huldigerin sicherlich auf dem Nachttisch hat, hält für die Verwendung des Begriffes „normal“ in diesem Kontext passenderweise einen besonderen Hinweis parat:
In der veraltenden, wertenden Bedeutung sollte das Wort normal im öffentlichen Sprachgebrauch nicht mehr verwendet werden. Das gilt besonders dann, wenn es als Gegensatzwort zu (geistig) behindert oder im Sinne von heterosexuell gemeint ist.
Mit zwei weiteren Aussagen malt die Hamburgerin selbst das Bild einer Frau, die in ihrem Kampf gegen die Gender-Sprache das Schlachtfeld nicht verstanden hat und sich den Gegner womöglich sogar einbildet. Betroffene, die sich von Gender-unsensibler Sprache ausgeschlossen fühlen, sollten sich nämlich einfach dazu entscheiden, sich von dem generischen Maskulin angesprochen zu fühlen. Eine massive Unterschätzung der Wichtigkeit der Sprache und wie sie die Neuronen in unseren Gehirnen lenken kann.
Und schließlich äußert Mertens gegenüber dem Abendblatt: „Wenn wir jetzt alle schwul, lesbisch und trans werden sollen, dann ist die Evolution zu Ende.“ Die in vielerlei Hinsicht kritische Aussage illustriert, dass die Hamburgerin gegen einen eingebildeten Feind ins Feld zieht: Sprachliche Inklusion wird plötzlich zur Gefahr massenhafter sexueller Umerziehung. Gruselig.

Hamburger CDU als Mitstreiterin im Kampf gegen Ideologen: Unterschriftensammlung für die Initiative
Die Wortwahl der Initiativen-Sprecherin trägt die Hamburger CDU entschieden nicht mit: „Der Diskriminierung von Homosexuellen stellen wir uns klar entgegen“, unterstrich CDU-Fraktionschef Dennis Thering gegenüber der Hamburger Morgenpost. „Die Aussage von Frau Mertens ist daher inakzeptabel. Dem berechtigten Anliegen der großen Mehrheit der Bevölkerung gegen das Gendern hilft das nicht.“
Klar ist jedoch, auch dass die Christdemokraten, die von einer nicht näher definierten „Sprachpolizei“ genervt sind, Sabine Mertens und ihre Initiative massiv unterstützten und sich ein Stück weit mit ihr verheiratet haben. Denn nicht nur bewirbt Hamburgs CDU-Chef Christoph Ploß den Kampf gegen das Gendern und die Volksinitiative seit Monaten bei gefühlt jedem Auftritt auf Twitter und im TV – der Landesvorstand beschloss laut Hamburger Abendblatt in einer Sitzung im Januar, an den Infoständen der Partei ebenfalls Unterschriften für die Initiative zu sammeln. Man werde, so hieß es noch in einer Pressemitteilung vom Dienstag, 7. Februar, die Volksinitiative „nach Kräften unterstützen“. Einstellung oder Fehlverhalten der Initiativen-Sprecherin kann man den hanseatischen Christdemokraten nach deren deutlicher Distanzierung auf keinen Fall anlasten – wohl aber den eigenen Umgang mit dem Thema.
Ploß und Co. prangern dabei ebenfalls die „ideologische Gender-Sprache“ an und pochen auf die scheinbare Heiligkeit der deutschen Sprache, die wie die Zehn Gebote unantastbar in Stein gemeißelt ist. Abgesehen von dem offensichtlichen Fakt, dass sich die Sprache stetig weiterentwickelt und der Gesellschaft anpasst: Ein Blick in das wissenschaftliche Feld der Neurolinguistik bietet ausreichend Studien, die zeigen, wie wichtig eine inklusive und moderne Sprache ist.
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Ein Beispiel, das Germanistin Tanja Stevanovic in einem Gespräch über das Thema gegenüber dem Norddeutschen Rundfunk präsentiert: „Gerade bei Schulkindern gibt es eine Studie, die zeigt, dass, wenn man verschiedene Berufe vorstellt und dabei auch die weibliche Form verwendet, zum Beispiel Pilotin, Astronautin, dass dann eben auch die Mädchen in der Klasse sich eher vorstellen können, diesen Beruf einmal selbst auszuüben.“
Sprache aus der Vergangenheit, Gesellschaft wie aus der Vergangenheit
Die Frage darf also erlaubt sein, ob Landesvorsitzender Christoph Ploß und seine CDU nicht eventuell den eigentlichen ideologischen Kampf führen. Vielleicht ist es den Konservativen ja ganz recht, dass Schülerinnen und Schüler nicht nur die gleiche Sprache wie vor 50 Jahren lernen, sondern auch die damit verbundenen Lebenswirklichkeiten. Das Wort „Archäologinnen“ etwa, das sich heute in Stellenausschreibungen wiederfinden würde, gab es damals tatsächlich nicht – das Studium war ausschließlich Männern vorbehalten …