LemonAid: Steuernachzahlung in Millionenhöhe, weil Firma Gutes tut?
Das Hamburger Unternehmen LemonAid ist regelmäßig in absurde Auseinandersetzungen verwickelt. Nun fordert das Finanzamt Steuern nach - weil die Firma zu viel Gutes tut?
Hamburg – Der bizarre Streit zwischen dem Hamburger Getränkehersteller Lemonaid und deutschen Behörden um den Zuckergehalt der Produkte des Unternehmens wird seit Jahren regelmäßig in der deutschen Öffentlichkeit ausgetragen. Hintergrund der Posse ist der Umstand, dass die Getränke der Hamburger Firma einen zu geringen Anteil Zucker aufweisen, um sich Limonade nennen zu dürfen. Festgelegt ist ein Zuckergehalt von 7 Gramm auf 100 Milliliter für ebensolche Getränke, doch Messungen bei Lemonaid-Produkten ergaben wiederholt einen Wert von 5,6 Gramm Zucker je 100 Milliliter.
Die Lemonaid-Getränke sind schlicht zu gesund! Wahrscheinlich mit ein Grund für die Kopien der Lemonaid-Produkte, die der Discount-Riese Lidl vor einigen Jahren lancierte. Jetzt gibt es die nächste absurde Auseinandersetzung um die Firma aus Hamburg – ihr droht eine Steuerrückzahlung in Millionenhöhe. Auch in der neuerlichen Auseinandersetzung ist der Grund für den Streit nicht weniger kurios. Gründer und Geschäftsführer Paul Bethke drückt es im Hamburger Abendblatt so aus: „Wir werden abgestraft, weil wir zu viel Gutes tun.“ Die Forderungen seien existenzbedrohend, führt er weiter aus.
Worum geht es?
Name: | Lemonaid Beverages GmbH |
Branche: | Getränke |
Gründungsjahr und Sitz: | 2009, Hamburg |
Anzahl Beschäftigte: | etwa 100 |
Lemonaid: Hamburger Unternehmen unterstützt durch Spenden soziale Projekte – „Wir werden abgestraft, weil wir zu viel Gutes tun“
Lemonaid versteht sich als soziales Unternehmen, das ist bekannt. Und so stellt sich diese Begrifflichkeit „soziales Unternehmen“ dar: Die sozialen Projekte, die, die Firma initiiert oder unterstützt, werden über den Verein Lemonaid & ChariTea organisiert. Zwischen der Firma und dem Verein gibt es so etwas wie einen Sponsorenvertrag. Der regelt, dass Lemonaid, die Firma, dem Verein auch tatsächlich den festgelegten Betrag für eben diese sozialen Projekte überweist.
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Dieser Betrag ist nicht an den Erfolg des Unternehmens und dessen Gewinne gekoppelt, schreibt das Abendblatt. Bis 2020 lief dieses Modell, das mittlerweile auch von anderen Sozialunternehmen genutzt wird, erfolgreich. Laut der Website von Lemonaid wurden bisher 62 lokale Initiativen finanziell unterstützt – beispielsweise Bildungsprogramme oder Frauenkooperativen. Ein voller Erfolg, sollte man meinen. Die Steuerbehörden in Hamburg sehen das jedoch anders.
Hamburger Steuerbehörden werfen Lemonaid verdeckte Gewinnausschüttung vor
Laut Abendblatt stellt sich der Sachverhalt für das Finanzamt so dar, dass für die Zahlungen der Firma an den Verein die Gegenleistung von Vereinsseite fehlen würden. Mehr noch: „In der Folge stellen diese Zahlungen Betriebsausgaben in Form von Spenden dar.“ Da diese Spendenaktivitäten der Lemonaid GmbH an den Verein einseitig verlaufe, stellen die Spenden laut Behörde eine verdeckte Gewinnausschüttung zugunsten der Mitglieder des Vereins dar, die auch Gesellschafter der Firma sind.
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Einfacher ausgedrückt: Niemand stellt infrage, dass Zahlungen geleistet wurden, auch die Projekte an sich stehen nicht zur Debatte. Die Zahlungen der Firma an den Verein, ohne dass dieser direkten Gegenleistungen zugunsten des Unternehmens vollzieht, sehen die Steuerprüfung als eine Verschiebung und verbotene Ausschüttung von Gewinnen und fordern die dafür fällige Steuern.
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Finanzamt fordert mehr als 600.000 Euro – kommen noch Millionen Euro obendrauf?
Nun fordert das zuständige Hamburger Finanzamt alleine für zwei geprüfte Jahre von 2015 bis 2017 eine Nachzahlung über 650.000 Euro. Paul Bethke befürchtet, dass sich die Forderungen im Anschluss auf alle folgenden Jahre des bestehenden Sponsorings zwischen Unternehmen und Verein summieren würden – dann wären mehr als drei Millionen Euro fällig. „Das Geld haben wir nicht“, so der Lemonaid-Chef gegenüber dem Abendblatt – denn das sei, wie es der Vertrag vorsieht, an den Verein für dessen soziale Projekte überwiesen worden.

Präzedenzfall Lemonaid wird von Joko Winterscheidt und Matthias Schweighöfer unterstützt
Das Unternehmen sei ein Präzedenzfall, heißt es und hat deshalb die Kampagne „Amtlich was kippen“ ins Leben gerufen. Unter anderem mit einer Bundestagspetition will das Hamburger Unternehmen erreichen, dass eine gesetzliche Grundlage für sogenannte Sozialunternehmen geschaffen wird, die es diesen erlauben, dass ihre finanzielle Unterstützung gemeinnütziger Zwecke steuerlich abgesetzt werden kann. Prominente wie TV-Moderator Joko Winterscheidt, Schauspieler Matthias Schweighöfer und der Musiker Axel Bosse unterstützen die Firma bei ihren Bemühungen.
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Fall Lemonaid: Das sagt Hamburgs Finanzsenator Dressel zur „Causa Lemonaid“
Auf Abendblatt-Nachfrage wollte Hamburgs Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) sich nicht detailliert zu dem konkreten Fall äußern. Er beruft sich auf das Steuergeheimnis, sagte aber: „Losgelöst vom Einzelfall, der Sache der Steuerverwaltung ist, kann ich das Anliegen und das Störgefühl von Sozialunternehmen im Hinblick auf die steuerrechtlichen Regelungen verstehen.“ Seit Jahren gibt es entsprechende Überlegungen im Bund, umgesetzt wurde sie aber bisher nicht. Höchste Zeit, den Worten Taten folgen zu lassen, findet Lemonaid-Gründer Paul Benthke.