Harburg: Heimat von Lämmertwiete, Ankerkraut-Gründern und TUHH

Ländliche Idylle, abgerockte Arbeiterviertel, quietschbunte Künstler-WGs, mondäne Stadtvillen: Das alles ist Hamburg. Jede Woche samstags gehen wir auf Streifzug. Heute sagen wir: #ahoiharburg
Hamburg-Harburg – Der Bezirk Harburg ganz im Süden der Stadt hat einen schlechten Ruf. Das liegt zum Beispiel an dem berüchtigten Phoenix-Viertel in unmittelbarer Nähe zu den Phoenix-Werken, heute Continental. Immer wieder kommt es dort zu brutalen Gewalttaten wie Schüssen, durch die Menschen verletzt werden, Messerangriffen wie vor dem naheliegenden Einkaufszentrum Phoenix Center, Polizeieinsätzen wegen Drogen-Parties mit Kindern in der Wohnung oder Toten durch Feuer-Dramen, wie in der Lassallestraße. Doch auch wenn es sich hier anders liest, der Stadtteil und der Bezirk Harburg, einer von sieben Bezirken Hamburgs, haben mehr zu bieten, als all das, was den schlechten Ruf ausmacht.
Harburg: Quartier Binnenhafen – Wohnen, Arbeiten und Wissenschaft in Harburg
Seit 2007 entsteht am sogenannten Binnenhafen – heute lediglich ein Hafen für Sport-, Hausboote und Traditionsschiffe – ein neues Viertel, das sogenannte Binnenhafen-Quartier rund um das ehemalige Harburger Schloss. Zahlreiche Neubauprojekte sind seitdem dort entstanden, darunter Tausende Arbeitsplätze in unter anderem drei Bürohochhäusern von bis zu 65 Metern Höhe und hunderte Wohnungen, teils am Wasser gelegen. Geplant sind weitere Hochbauten, darunter unter anderem das größte Hotel Hamburgs mit 600 Zimmern und ein Hochhaus als Erweiterungsbau der TUHH.
Die Technische Hochschule Hamburg unterhält jetzt schon einige Gebäude in dem ehemaligen Industriegebiet. Auch andere Forschungseinrichtungen, wie beispielsweise ein Fraunhofer-Institut und eine Stelle der Deutschen Luft- und Raumfahrt (DLR) sind im Binnenhafen zu finden. Überregional bekannt wurde der Hafen in jüngerer Vergangenheit als Liegeplatz des ehemaligen Hausbootes des verstorbenen Country-Sängers Gunther Gabriel, das durch den Musiker Olli Schulz und den YouTuber Fynn Kliemann (Kliemannsland) aufgekauft und aufwendig saniert wurde. Die Sanierung wurde von einem Kamerateam des Streamingportals Netflix begleitet und als Dokumentation ausgestrahlt.
Name: | Hamburg-Harburg |
Fläche und Bevölkerung des Stadtteils: | 3,9 km² / 25.979 (31. Dez. 2020) |
Fläche und Bevölkerung Bezirks: | 125,4 km² / 169.221 (31. Dez. 2020) |
Harburg: Ausgehen in Harburg: Lämmertwiete in der Altstadt und drumherum
Wer zu Fuß vom Stadtzentrum zum Binnenhafen geht, kommt unweigerlich an der Harburger Altstadt rund um die Lämmertwiete vorbei. Die Altstadt Harburgs ist von der Größe noch nicht mal mit der einer deutschen Kleinstadt zu vergleichen, handelt es sich bei der Harburger Altstadt doch lediglich um einen Straßenzug und ein paar wenige Häuser. Trotzdem wird die Harburger Altstadt ihrem Namen gerecht: Ist doch die Straße, die Lämmertwiete, nicht nur mit alten Fachwerkhäusern gesäumt, sondern beherbergt gut ein halbes Dutzend Kneipen, Bars und Restaurants – etwa einen Irish Pub, den Bierbrunnen, die Cocktailbar Caspari, das italienische Restaurant Al Limone oder der Brasilianer Panthera Rodizio.
So ist es kein Wunder, dass Jung und Alt in der Lämmertwiete anzutreffen sind, wo sich das Ausgeh-Leben Harburgs konzentriert. Neben vielen Eckkneipen finden sich auch an anderer Stelle in Harburg Gelegenheiten auszugehen: die alternative & St. Pauli-Fankneipe „Zur Stumpfen Ecke“ (Hinter dem E-Center) oder die ausgezeichnete Bar „Zur Treppe“ am Marktplatz Sand, die von dem ehemaligen norddeutschen Vize-Meister im Cocktailsmixen gemacht wird und mit einer übersichtlichen Karte voller Eigenkreationen lockt. Beliebt bei vor allem Jugendlichen ist das „B7“ gegenüber des Cinelux-Kinos: Das „B7“ wartet nicht nur mit einem Angebot aus Cocktails und Longdrinks auf, sondern ebenfalls mit rund 20 Billardtischen.
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Harburg: Konzerte & Festivals im Süden
Einer der architektonisch interessantesten Clubs der ganzen Stadt ist der Club Stellwerk im Harburger Bahnhof, befindet sich der Laden doch in einem ehemaligen Wartesaal aus dem letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts. Früher als Jazzclub bekannt, zeigt das Stellwerk heute Spiele des Hamburger Sportvereins und des FC St. Pauli auf Leinwand, bietet Künstlern aus den Bereichen Hiphop, Rock- oder Worldmusic genauso eine Bühne wie Clubveranstaltungen – egal ob Techno, Goa oder Trash, beispielsweise durch die Macher und Macherinnen der beliebten Glittergewitter-Party - und auch Kinderprogramm ein Zuhause. In Marias Ballroom, am Rand des Phoenixviertels, treten vor allem Bands der härteren Gangart auf: Hardrock, Metall- oder Bluesrock-Künstler spielen in dem durch Heimo Rademacher betriebenen Laden, aber auch Karaoke-Abende werden in dem Club (Lassalletraße 11) veranstaltet.
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Zu den regelmäßigen Festivals gehören das Literaturfestival SuedLese, die über mehrere Wochen im Frühjahr an verschiedenen Orten des Bezirks stattfindet, und die Harburg Music Night, die, die Besucher und Besucherinnen einen Abend durch verschiedene Kneipen, Kulturcafes und sonstige Locations führt, wo diese dann Livemusik beiwohnen. Regelmäßige Open Air Veranstaltungen gibt es auf etwa auf dem Festplatz Am Schwarzenberg gegenüber der Technische Universität Hamburg (TUHH) und auf dem Rathausplatz. Hier wird seit einigen Jahren das Eröffnungskonzert der Hamburger Staatsoper im Rahmen eines Open Air-Screenings übertragen.
Harburg: Archäologisches Museum Hamburg und Sammlung Falckenberg
Die beiden bedeutendsten oder zumindest bekanntesten Museen dürften das Archäologische Museum Hamburgs am Rathausplatz sein, das bis zu ihrer Berufung in den Hamburger Senat, durch die heutige Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD) geleitet wurde. Und die Sammlung Falckenberg, eine Außenstelle der Deichtorhallen. Die Privatsammlung Otto Falckenberg ist durch das internationale Kunstmagazin Artnews zu einer der „200 Besten der Welt“ gewählt worden und umfasst zahlreiche Exponate auf mehreren Etagen deutscher und amerikanischer Gegenwartskunst ab den 1980er Jahren. Die Sammlung (Wilstorfer Str. 71) hat ihre neue Heimat in einer ehemaligen Halle der Phoenixwerke gefunden und ist öffentlich zugänglich.
Persönlichkeiten aus Harburg: Farih Yardim, Sozialsenatorin Leonhard, Ankerkraut- und About You-Gründer
Einige Persönlichkeiten kommen aus dem Stadtteil Harburg beziehungsweise aus einem der zum Bezirk Harburg gehörenden Stadtteile. Dazu gehört Hamburgs Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD), die mit ihrer Familie in Marmsdorf lebt und vor ihrer Berufung in den Hamburger Senat als Nachfolgerin des damaligen Sozialsenators Detlef Scheele, Leiterin des Archäologischen Museums Hamburg in Harburg war. Leonhard besuchte zuerst die Katholische Schule Harburg und anschließend das Lessing-Aufbaugymnasium in Wilsdorf, wo sie auch ihr Abitur abgelegt hat. Auch die ehemalige Tagesschau-Sprecherin Dagmar Berghoff, lebte nach dem Umzug ihrer Familie ab 1957 im Marsdorf und machte ebenfalls später am Lessing-Gymnasium Abitur. Aus Eißendorf im Bezirk Harburg kommt hingegen der heutige Chefredakteur des Hamburger Abendblatts, Lars Haider.
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Ebenfalls aus Eißendorf stammt der Gründer des Onlineversandhändlers About You, Tarek Müller, der unlängst seine Pläne bekannt gab, der Wirtschaft den Rücken zu kehren und als Hamburger Bürgermeister zu kandidieren. Im Süden des Bezirks, an der Grenze zur niedersächsischen Gemeinde Rosengarten, ist der Sitz des Hamburger Start-ups Ankerkraut. Das Gründerehepaar Stefan und Anne Lemcke hatten kürzlich bekannt gemacht, dass der Lebensmittelgigant Nestlé die Mehrheit an Ankerkraut übernommen hat und dadurch einen Shitstorm provoziert.
In Wilsdorf aufgewachsen ist Schriftsteller, Schauspieler, Musiker und Entertainer Matthias Halfpape, besser bekannt unter seinem Künstlernamen Heinz Strunk. Das Aufwachsen im Bezirk und die Zeit, die er als Hochzeitsmusiker durch den Landkreis tingelte, beschreibt er unter anderem in seinem Bestseller „Fleisch ist mein Gemüse.“ Auch der Tatort-Darsteller und Schauspieler in der Serie „jerks“, Fahri Yardim, kommt aus Harburg und besuchte dort die Goethe-Schule. YouTube-Star und Twitch-Streamer MonatanaBlack ist zwar gebürtig aus Buxtehude im Landkreis Stade, lebt allerdings heute im Bezirk Harburg.
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Harburg Bildung: TUHH, Goethe-Schule und Katholische Schule
Zu den erwähnenswerten Bildungseinrichtungen des Bezirks zählen die beiden Hochschulen und einige Gymnasien bzw. weiterführende Schulen. Die Technische Universität Hamburg (TUHH) befindet sich auf einem Campus-Gelände zwischen den Stadtteilen Heimfeld und Eißendorf und wird zurzeit von etwa 9000 Studierenden besucht.
Die Universität ist eine reine Campus-Universität, bis auf eine Erweiterung im Binnenhafen, konzentrieren sich alle Universitätseinrichtungen auf einem Gebiet zwischen den Straßen Am Schwarzenberg und Eißendorfer Straße, dazu zählen neben allen Instituten auch die Mensa, die Hörsäle, die Universitätsbibliothek oder das Asta-Cafe. Bekannt ist die Hochschule vor allem für den Studiengang Schiffsbau. Ihr bekanntester Absolvent hingegen wird gemeinhin mit einem negativen Ereignis assoziiert: Mohammad Atta, einer der Köpfe der Anschläge von 9/11, besuchte mit anderen Mitgliedern der Terrorzelle in den 1990er-Jahren nicht nur die Hochschule, sondern wohnte auch in der Nähe. Er schloss sein Studium mit Diplom ab.
Zu den weiteren bekannten Bildungseinrichtungen in Harburg zählen die Goethe-Schule und die Katholische Schule Harburg und das ebenfalls katholische Niels-Stensen-Gymnasium am Göhlbachtal.
Harburg: Seehafen Harburg und ansässige Industrie
Auch Harburg hat einen Seehafen, der an der bis dorthin für Seeschiffe befahrbaren Süderelbe liegt und dessen Zufahrt über den Köhlbrand erfolgt. Süder- und Norderelbe vereinigen am südlichsten Zipfel der Elbinsel Wilhelmsburg (Bunthäuser Spitze) im Bezirk Harburg dann wieder zum Elbstrom.
Zwischen Hafen und Bundesautobahn A7 sind zahlreiche Industrieunternehmen angesiedelt. Unter anderem Raffinerien der Shell, außerdem ein Werk der Firma tesa, das Mercedes Benz-Werk Großborstel und seit ihrem Umzug aus Altona auch die Holstenbrauerei mit ihren Marken Holsten und Astra. Die Deutsche Post DHL unterhält ferner eines von zwei Briefverteilzentren in Hamburg im Stadtteil Hausbruch.