Warum der Hamburger Hafen Chinas Einkaufstour in Europa bremst

Chinas Staatsreederei Cosco zögert noch mit dem Einstieg im Hamburger Hafen. Die erschwerten Bedingungen machen den Deal weniger reizvoll. Hamburg könnte zur Bremse chinesischer Expansion in Europa werden.
Hamburg/Peking – Eigentlich hätte die Entscheidung bis Silvester fallen sollen. Doch auch zwei Monate nach Ablauf der vertraglichen Entscheidungsfrist am 31. Dezember 2022 ist noch immer nicht klar, ob Chinas Staatskonzern Cosco nun in den Hamburger Containerterminal Tollerort (CTT) investieren wird oder nicht. Die Terminal-Sparte des Konzerns, Cosco Shipping Ports Limited (CSPL), erklärte nach einem Bericht des NDR Anfang des Jahres, dass noch nicht alle Bedingungen für ihren Einstieg erfüllt seien. Man diskutiere unter anderem noch mit dem Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) über die Konditionen. Eine Garantie zum Vollzug gebe es nicht.
Der Betreiber des Terminals, die Hamburger Hafen Logistik AG, kurz HHLA, klang damals deutlich optimistischer: Bei Gesprächen mit Cosco und dem Ministerium sei es gelungen, sich auf „konkrete Voraussetzungen“ für die Beteiligung an dem Terminal zu verständigen. Man kläre derzeit letzte Details. Seither herrscht Schweigen.
Das Gezerre um den Hamburger Container-Terminal könnte einen Wendepunkt markieren in einer bis dato scheinbar unaufhaltsamen Einkaufstour Chinas in Europas Häfen markieren. Denn die Debatte zeigt, dass Investment-Angebote wie von Cosco nicht mehr zwingend durchgewunken werden – und dass es Interessengegensätze zwischen Wirtschaft und Politik gibt.
Hamburg: Warten auf Coscos Entscheidung - Scheitern des Hafendeals ist möglich
Zur Erinnerung: Cosco wollte eigentlich 35 Prozent des Terminals übernehmen. Die HHLA und die Hansestadt waren dafür, zentrale Bundesministerien wie das BMWK waren dagegen. Sie befürchteten eine wachsende Abhängigkeit von dem autoritären Staat China. Am Ende erlaubte die Bundesregierung auf Druck von Bundeskanzler Olaf Scholz im Oktober 2022 den Einstieg, verschlechterte aus Cosco-Sicht allerdings mithilfe einer sogenannten Teiluntersagung die Bedingungen: Maximal 24,9 Prozent Anteil an Tollerort sind Cosco nun noch erlaubt.
Möglicherweise führt der im Herbst mühsam zwischen allen Beteiligten gefundene Kompromiss also am Ende zum Scheitern des Geschäfts. Das Resultat wäre damit letztlich dasselbe wie das vom Kanzleramt abgelehnte Verbot. Die andauernden Verhandlungen deuten jedenfalls darauf hin, dass Cosco die neuen Bedingungen missfallen: Mit Anteilen unter die sogenannte Sperrminorität 25 Prozent hat Cosco keinen formalen Einfluss auf Geschäftsentscheidungen. Und eine spätere Erhöhung der Anteile hat Berlin ausgeschlossen.
Egal wie die Hamburg-Saga ausgeht, es bleibt die Grundsatzfrage bestehen: Wie gehen wir mit Investment-Angeboten aus China künftig um? „Ich gehe davon aus, dass durch Hamburg ein Wendepunkt im Umgang mit chinesischen Direktinvestitionen erreicht ist. Diese werden künftig voraussichtlich stärker überprüft werden“, sagt Sebastian Bersick von der Ruhr-Universität Bochum zum Münchner Merkur von IPPEN.MEDIA. „Damit treten Unternehmensinteressen relativ gesehen gegenüber politischen und geopolitischen Erwägungen zurück.“
Chinas Investitionen in europäische Häfen
Hamburg ist einer der letzten großen Häfen Europas, in dem noch kein chinesischer Investor eingestiegen ist. Cosco und seine Partnerfirma China Merchants haben bereits in 14 europäische Häfen investiert. Dazu zählen Mehrheitsbeteiligungen in Athens Hafen Piräus, im spanischen Valencia und dem belgischen Zeebrügge, sowie Minderheitsanteile an Rotterdam, Antwerpen und wichtigen Mittelmeerhäfen. Auch in Deutschland engagiert sich China: Für den Jade-Weser-Port Wilhelmshaven, Deutschlands einzigen Tiefseehafen, unterzeichnete China Logistics einen Pachtvertrag über 99 Jahre, um dort ein Logistikzentrum zu bauen.
Piräus bei Athen ist das wichtigste Hafenprojekt Chinas in Europan. Dort bekam Cosco 2008 die Betriebslizenz für zwei Kais. Als Griechenland dann 2015 während seiner Schuldenkrise auf Drängen Brüssels den Hafen verkaufen musste, übernahm Cosco 51 Prozent am Hafenbetreiber Piraeus Port Authority – und machte den Tiefseehafen seither zur Drehscheibe im China-Handel: Er ist der erste Anlaufpunkt für Schiffe aus Asien nach der Durchquerung des Suezkanals. Fracht wird dort für den ganzen Mittelmeerraum in kleinere Feederschiffe umgeladen. Mögliche europäische Investoren winkten 2015 ab. Auch das ist Teil der Geschichte.
Wirtschaftlich ist Chinas Einstieg in Piräus auch aus Sicht Athens ein Erfolg. Zwischen 2008 und 2020 verdreizehnfachte sich der Containerumschlag. Der einst marode Hafen liegt in Europa beim Umschlag der Stahlboxen nun auf Rang vier – hinter Rotterdam, Antwerpen und Hamburg. Auch deshalb ist Coscos Beteiligung in Griechenland nicht mehr umstritten, anfängliche Kritik der Gewerkschaften an den Arbeitsbedingungen ist leiser geworden. 2021 stockte Cosco die Beteiligung auf 67 Prozent auf. Einfach ist das Zusammenspiel trotzdem nicht. Ein geplanter Komplex mit Hotel und Einkaufszentrum stößt in Piräus auf Widerstand, Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis beschrieb das Verhältnis zu China kürzlich als „schwierig und komplex“.
Debatte um Chinas Hafengeschäfte in ganz Europa
Hamburg beobachtete aber nicht Piräus, sondern vor allem Coscos Engagement in den anderen Häfen der sogenannten Nordrange entlang der Nordsee, zu der die Hansestadt auch selbst gehört. Über die Nordrange-Häfen werden etwa 80 Prozent des europäischen Im- und Exports abgewickelt, die drei anderen Nordrange-Häfen Rotterdam, Antwerpen und Zeebrügge sind dabei Hamburgs direkte Konkurrenten.
Die HHLA und die Stadt Hamburg betonten immer wieder, dass eine langfristige Bindung mit dem Schifffahrtsriesen Cosco essenziell sei angesichts des wachsenden Wettbewerbs um Ladung mit den anderen Nordrange-Häfen. In Zeebrügge hält Cosco-Tochter CSPL 90 Prozent des einzigen Containerterminals und kontrolliert damit das Management. Der Terminal ist seither das am schnellsten wachsende Drehkreuz im weltweiten Cosco-Netz. In Antwerpen und Rotterdam gibt es chinesische Minderheitsbeteiligungen an Terminals. Hamburg sieht sich unter Druck.
Wachsende Skepsis auch in Brüssel und anderen Staaten Europas
Bersick sieht als Kern der nötigen Debatte die Frage, wie eine etwaige wirtschaftliche Abhängigkeit von China künftig gemessen und eine befürchtete politische Einflussnahme definiert werden könne. „Was uns zunehmend fehlt, ist das Vertrauen gegenüber chinesischen Geschäftspartnern und -partnerinnen“, sagt dee Autor eines Kapitels für einen im Frühjahr erscheinenden Sammelband zu Chinas Hafeninvestitionen in Europa, Mittel- und Südamerika. „Selbst wenn diese rein betriebswirtschaftlich motiviert sind, ist nicht auszuschließen, dass ihre Handlungen zu einem späteren Zeitpunkt auch geopolitischen Interessen folgen – insbesondere wenn es sich um ein staatseigenes Unternehmen handelt.“ So wie Cosco.
Auch die EU und andere Mitgliedsstaaten gelten heute nicht mehr als Fans der immer zahlreicheren Hafenbeteiligungen chinesischer Firmen in Europa. In Italien stoppte der damalige Ministerpräsident Mario Draghi einen bereits vorläufig unterzeichneten Deal zur Mehrheitsübernahme an einem Multifunktions-Terminal im Hafen von Triest. Die Nutznießer davon war die HHLA. Sie bekam 2020 den Zuschlag für den Terminal.