Finkenwerder: Zuhause von Airbus, Finkenwerder Scholle und Gorch Fock

Finkenwerder hat sich trotz des Airbus-Werks seinen dörflichen Charakter bewahrt. Von hier stammt auch ein berühmtes Fischrezept und der Namenspatron des Segelschulschiffs der Bundeswehr.
Ländliche Idylle, abgerockte Arbeiterviertel, quietschbunte Künstler-WGs, mondäne Stadtvillen: Das alles ist Hamburg. Jede Woche samstags gehen wir auf Streifzug. Heute sagen wir: #ahoifinkenwerder
Rund 12.000 Einwohner leben heute auf der ehemaligen Elbinsel Finkenwerder, die den meisten Hamburgern und einigen anderen vor allem als Standort des zweitgrößten Werkes des europäischen Flugzeugbauers Airbus bekannt sein dürfte. Am Hamburger Standort von Airbus arbeiten mit circa 12.500 Menschen etwa genauso viele, wie Finkenwerder Einwohner hat. Doch die Verbindung zwischen der Luftfahrtindustrie und der 1962 abgedeichten damaligen Elbinsel am Rand des Hafengebiets geht viel weiter zurück, als die Geschichte von Airbus und dem Hamburger Stadtteil. Sie hat in Teilstücken Tradition, aber dazu später mehr.
Finkenwerder: Von der Elbinsel zur Halbinsel
Einst komplett von Wasser umgeben war Finkenwerder bis 1962 noch eine echte Insel, bevor durch den Bau der Deiche nach der Sturmflut 1962 die heutige Halbinsel entstanden ist. Finkenwerder, da sind sich Geologen sicher, ist selbst durch Sturmfluten entstanden. Und zwar durch mehrere, die auch schon eine Weile zurückliegen: Im 12. und 13. Jahrhundert soll Finkenwerder durch das Auseinanderbrechen der Insel Gorieswerder in Folge eben jeder Sturmfluten gewesen sein. Das östliche Teilstück der ehemaligen Insel gibt es nicht mehr, das westliche Stück wurde erst zur Insel Finkenwerder, später zur Halbinsel. Erstmals tauchte die neue Insel unter dem Namen Vinkenverder auf.
Finkenwerder: Mit der HVV Linie 62 ins Alte Land
Viele Besucher und Besucherinnen reisen auch heute noch mit dem Schiff nach Finkenwerder an, nämlich mit der Fährlinie 62 der HADAG im HVV. Die Fahrt über die Elbe führt unter anderem an den Docks von Blohm&Voss, am Fischmarkt Hamburg, den Docklands und dem Elbstrand Övelgönne vorbei und dauert etwa eine halbe Stunde. Unter vielen Besuchern hat sich mittlerweile rumgesprochen, dass sich die Linie 62 als kostengünstige Hafenrundfahrt eignet.
Während die Preise für die Hafenrundfahrten bei 15 bis 20 Euro liegen, ist für die Fahrt mit der Fähre lediglich eine HVV-Fahrkarte wie für die U-Bahn oder die S-Bahn Hamburg nötig. Doch auch bei Rad-Touristen und Ausflug-Fahrern ist die Anreise nach Finkenwerder äußerst beliebt, liegt Finkenwerder doch am Alten Land. So nutzen viele die Möglichkeit, erst mit der Fähre über die Elbe nach Finkenwerder zu schippern, um von dort aus zu einer Radtour durch Europas größtes Obstanbaugebiet aufzubrechen und umgehen so die längere und wenig attraktive Anreise mit der S-Bahn-Linie S3. Eine weitere HADAG Fährlinie, die Linie 64, setzt rüber nach Teufelsbrück. Altona ist so von Finkenwerder ohne den Umweg über die Stadt schnell zu erreichen.
Finkenwerder: Wohnen und leben in Finkenwerder
In vielen Teilen der Halbinsel ist der dörfliche Charakter Finkenwerders noch sichtbar. Der Ortskern Finkenwerders ist geprägt von Backsteinbauten im typischen Hamburger Stil der 1920er Jahre. Auch Fachwerk und Gründerzeitbauten finden sich noch einige in Finkenwerder. Mehrfamilienhaussiedlungen wie in anderen Stadtteilen gibt es in Finkenwerder nicht. Kinder und Jugendliche werden in mehreren Kitas und Bildungseinrichtungen betreut, dazu gehört etwa die Stadtteilschule Finkenwerder. Auch ein Gymnasium gibt es in dem Stadtteil, der zum Bezirk Hamburg-Mitte gehört.
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Die Nahversorgung übernehmen ein Edeka Markt und ein Aldi, auch eine Filiale der Hamburger Drogeriekette Budni (Budnikowsky, gegründet 1912 in Harburg) gibt es vor Ort. Die lokale Bäckereikette Finkenwerder Bäcker Körner betreibt mehrere Filialen in Finkenwerder und eine in Harburg.
Finkenwerder: Airbus-Werk Finkenwerder und Schiffbau auf Finkenwerder
Der Flugzeugbau in Finkenwerder kann auf eine fast 90-jährige Geschichte zurückblicken. Denn 1933 wurde mit der Hamburger Flugzeugbau GmbH erstmals ein Luftfahrtunternehmen in Finkenwerder ansässig. Das Unternehmen war eine Tochter der heute noch bestehenden Traditionswerft Blohm + Voss. Die Hamburger Flugzeugbau GmbH wurde damals mit einem Flugplatz ausgestattet, heute der Werksflughafen von Airbus. Der französische Hersteller beziehungsweise dessen deutscher Ableger ist aus eben jener ersten Firma für Flugzeugbau in Finkenwerder hervorgegangen. Heute werden in dem Hamburger Werk die Struktur- und Endmontage für die Passagierflugzeuge A318, A319, A320 und A321, die Teilmontage der Modelle A330 und A350 und die Lackierung, Innenausbau und Auslieferung des Jumbojets A380 durchgeführt.
Mit der Deutschen Werft AG wurde 1918 der damals größte Arbeitgeber der noch nicht eingedeichten Insel gegründet. Dabei handelte es sich um ein Gemeinschaftsunternehmen der Reederei HAPAG (heute HAPAG-Lloyd), der AEG und der Guthoffnungshütte. Die Werft existierte bis 1968. Bis in die 1980er existierte als größte Werft noch die Werft August Pahl, die 1984 Konkurs anmelden musste. Heute gibt es noch die kleineren Werften Feltz, die Schiffswerft von Cölln oder die Bootswerft Heuer. Die Werften und der Schiffsbau haben auf Finkenwerder allerdings keine weitere Bedeutung mehr.
Finkenwerder: Fischerei und Finkenwerder Scholle
Für die Entwicklung des Stadtteils hat die Fischerei eine wichtige Rolle gespielt. Der Kutterhafen von Finkenwerder hat für die Entwicklung des Ortes eine wichtige Rolle gespielt. Besonders vor der Industrialisierung war die Fischerei die Haupteinnahmequelle der Bewohner der Insel. An die Zeit erinnert noch die „Finkenwerder Scholle“ (Scholle mit Bratkartoffeln und Speck, auch bekannt als „Finkenwerder Speckscholle“ oder „Finkenwerder Kutterscholle“).
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Finkenwerder: Gorch Fock und die Kinau-Brüder
Die berühmtesten Einwohner Finkenwerders waren die Kinau-Brüder, die, wenig überraschend für eine Insel, zur See gefahren sind, unter anderem bei der kaiserlichen Marine dienten oder auf Handelsmarineschiffen fuhren. Die Brüder Rudolf, Jakob und Johann Wilhelm Kinau lebten ab Ende des 19. Jahrhunderts und wurden vor allem als Heimatschriftsteller bekannt. Letztere ist wahrscheinlich den meisten Deutschen ein Begriff; zumindest sein Pseudonym: Unter dem Namen Gorch Fock veröffentlichte er seine bekanntesten Werke. 1915 zur Marine eingezogen, fiel Johann Wilhelm Kinau bei der Seeschlacht am Skagerrak, der größten Seeschlacht zwischen der kaiserlichen Marine und der Royal Navy im Ersten Weltkrieg. Nach ihm ist unter anderem das Segelschulschiff der Bundeswehr Gorch Fock benannt, deren 135 Millionen Euro Sanierung für einen Skandal und juristische Aufarbeitung sorgte. Auch der Gorch-Fock-Park auf Finkenwerder erinnert an den Schriftsteller.