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Einfach erklärt: Warum der Cum-Ex-Skandal für Olaf Scholz gefährlich werden könnte

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Von: Kevin Goonewardena

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Der Cum-Ex Skandal sorgt derzeit für Schlagzeilen. Was es damit auf sich hat und was die Ermittlungen für Kanzler Scholz bedeuten könnten – 24hamburg.de erklärt es.

Hamburg – Die Meldungen überschlagen sich derzeit: In einem Schließfach des ehemaligen Bundestagsabgeordneten Johannes Kahrs (SPD) haben Fahnder in Hamburg mehr als 200.000 Euro Bargeld entdeckt; die Staatsanwaltschaft hat sich ein Durchsuchungsbeschluss für das E-Mail-Postfach des ehemaligen Hamburger Bürgermeisters und heutigen Bundeskanzlers Olaf Scholz, besorgt. Doch worum geht es eigentlich? Cum-Ex in Hamburg und die wichtigsten Beteiligten verständlich erklärt.

Name:Cum-Ex Skandal (auch: Dividenden-Stripping)
Öffentlich seit:18. Oktober 2018
Bereich:Finanzwesen
Umfang:mind. 12 Länder, rund 150 Milliarden Euro Schaden

Cum-Ex: Die verbotenen Geschäfte leicht erklärt

Gegenstand der sogenannten Cum-Ex-Geschäfte war der Aktienhandel; Aktienbesitzer und -besitzerinnen dürften das schon am Namen erkennen: Denn mit den lateinischen Vokabeln „Cum“ („mit“) und „Ex“ („aus“ bzw. hier „ohne“) wird im Börsen-Jargon angegeben, ob die gehandelten Aktien einen Anspruch auf die Auszahlung der Dividende haben, oder nicht. Die Dividende ist dabei der Teil des Gewinns, die ein börsennotiertes Unternehmen an die Aktionäre auszahlt und diese so am Unternehmensgewinn beteiligt. Die Auszahlung wiederum findet gewöhnlich an einem festen Termin statt, der ist bei den meisten Unternehmen rund um die jährliche Hauptversammlung angesiedelt.

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Welche Rolle spielt Olaf Scholz im Cum-Ex-Skandal? © Emmanuele Contini / Imago

Entscheidend für die Auszahlung ist, wer am sogenannten Dividendenstichtag, dem Tag vor der Auszahlung, in Besitz der Wertpapiere ist. Mit dem schnelle Hin- und Herschieben von Aktien kurz vor und an dem Stichtag, sollte bei den Finanzämtern für größtmögliche Verwirrung darüber gesorgt werden, wer nun in Besitz der Aktien, also anspruchsberechtigt in Bezug auf die Dividende ist. Denn auf die Gewinne fällt die sogenannte Kapitalertragssteuer an, die von anspruchsberechtigten Aktienhaltern zu zahlen ist. Bei Unternehmensverlusten wird diese Steuer von den Behörden zurückerstattet, Unternehmen können so Verluste auffangen.

Cum-Ex: Steuererstattung erhalten, ohne Steuern gezahlt zu haben

Den Beteiligten bei den Cum-Ex-Geschäften ging es darum, durch die Verwirrung über die Besitzverhältnisse möglichst viele Rückerstattungsbescheide für vermeintlich gezahlte Kapitalertragssteuern zu bekommen. So sollten sie eine Steuererstattung zu erhalten, ohne je Steuern gezahlt respektive ausschüttungsberechtigte Aktien gehalten zu haben, wie unter anderem bei t-online nachzulesen ist. Dieser Steuertrick ist in Deutschland lange legal gewesen, erst 2012 wurde die Gesetzeslücke in der Bundesrepublik geschlossen. Doch erst drei Jahre später informierte der deutsche Fiskus die europäischen Kollegen. Profitiert haben nicht nur Unternehmen und andere Großaktionäre, Aktienhändler, sondern auch Steuerbüros, Rechtsanwälte, Notare oder Banker. Auch Mitarbeitende der Finanzbehörden und Politiker stehen im Fokus der Ermittler.

Cum-Ex: Entstand ein dreistelliger Milliardenschaden?

Bereits im vergangenen Jahr vermeldete das ARD-Magazin „Panorama“, dass der durch die CumEx-Geschäfte entstandene Schaden voraussichtlich wesentlich größer ist, als bisher angenommen. Bisherige Schätzungen belaufen sich auf rund 55 Milliarden Euro. Laut Panorama und dem Recherchezentrum „Correctiv“ ist der tatsächliche Schaden jedoch dreimal so hoch: 150 Milliarden Euro sollen die Beteiligten durch die Cum-Ex Geschäfte weltweit an den Behörden vorbeigeschleust haben.

Cum-Ex: Das ist der Stand der Verfahren in Deutschland

Für die Mehrheit der CumEx-Fälle ist in Deutschland die Staatsanwaltschaft Köln verantwortlich. Mitte 2021 fällten Richter erstmals ein Urteil gegen einen deutschen Aktienhändler wegen der Beteiligung im CumEx-Skandal. Das berichtet unter anderem tagesschau.de. Die Richter am Landgericht Bonn verurteilten einen ehemaligen Mitarbeiter der Hamburger Privatbank M. M. Warburg zu einer Freiheitsstrafe von fünfeinhalb Jahren.

2019 und 2020 fand an dem Bonner Gericht das erste CumEx-Verfahren statt, das mit einem Schuldspruch gegen zwei Angeklagte endete, wie Die Zeit schreibt. Auch im Februar 2022 endete ein Bonner Verfahren mit einem Urteilsspruch: Dreieinhalb Jahre bekam ein Banker für seine Verstrickungen in den Skandal. Da das Bundesamt für Steuern in der ehemaligen Hauptstadt sitzt, spielt das Bonner Landgericht und die zuständige Staatsanwaltschaft Köln eine große Rolle bei der Aufklärung, schreibt die Deutsche Presseagentur.

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Cum-Ex Schlüsselfigur Hanno Berger

Alleine für mehr als 270 Millionen Euro Schaden soll Hanno Berger, ehemaliger Staranwalt im deutschen Steuerrecht, gesorgt haben. Der 71-Jährige räumte im Prozess gegen seine Person ein, mit bedingtem Vorsatz gehandelt zu haben. An den Cum Ex-Geschäften beteiligt gewesen zu sein, hatte Berger schon früher nicht bestritten. Der Anwalt verwies jedoch seit jeher darauf, dass die Möglichkeit der Steuerrückerstattung einer Gesetzeslücke geschuldet gewesen sei und das Ausnutzen einer solchen Lücke nicht illegal sei, berichtet das Handelsblatt.

Cum-Ex in Hamburg: Die Rolle von Johannes Kahrs

Das ehemalige Mitglied des Deutschen Bundestag und Abgeordnete der Hamburger Bürgerschaft, Johannes Kahrs steht nicht erst im Fokus der bundesdeutschen Öffentlichkeit, seit Ermittler vor wenigen Tagen mehr als 200.000 Euro Bargeld in einem auf Kahrs registriertem Schließfach gefunden haben. Kahrs, der mehr als 20 Jahre als direkt gewählter Kandidat für den Wahlbezirk Hamburg-Mitte im Bundestag gesessen hat, musste einräumen, sich mit dem ehemaligen Miteigentümer der Privatbank, Christian Olearius, getroffen zu haben. Auch eine Spende in Höhe von fast 40.000 Euro an seinen Kreisverband durch die Bank ist registriert. Kahrs soll sich bei der Bankenaufsicht BaFin, im Finanzministerium und beim damaligen Bundesfinanzminister Olaf Scholz für die Warburg Bank eingesetzt haben.

Cum-Ex und Johannes Kahrs: „Selbst Minister zitterten vor ihm.“

Kahrs gilt als bestes vernetzt, Kritiker warfen dem SPD-Politiker in der Vergangenheit mehrfach – unter anderem in der FAZ und der Wochenzeitung Die Zeit („House of Kahrs“) vor, seinen Kreisverband sektenartig organisiert und ein System von Abhängigkeiten durch das oft nicht eingelöste Versprechen von Posten, geschaffen zu haben. „Selbst Minister zittern vor ihm“ wird der frühere Europa- und Bundestagsabgeordnete und Finanzexperte Fabio De Masi (Linke) im Focus zitiert. Denn Kahrs war auch Mitglied im Finanzausschuss des Bundestags, wer Geld wollte, musste sich nicht nur in Hamburg gut mit ihm stellen.

Johannes Kahrs bei einer Rede im Bundestag
Ein der Schlüsselfiguren im CumEx-Skandal: Der ehemalige Hamburger Bundestagsabgeordnete Johannes Kahrs. © dpa/picture alliance

Cum-Ex: Johannes Kahrs und die nächtlichen Drohanrufe

Die Cum-Ex Affäre ist nicht der erste Skandal in der Akte Kahrs. 1992 musste sich Kahrs vor Gericht verantworten, da er eine Konkurrentin des Juso-Landesverbands durch nächtliche Drohanrufen belästigt haben soll. Eine Fangschaltung registrierte zwei nächtliche Anrufe von Kahrs, Belästigungen konnten ihm nicht nachgewiesen werden. Das Verfahren endete nach einer Zahlung von 800 DM und der Übernahme der Anwaltskosten durch Kahrs.

Kahrs ist der Sohn des ehemaligen Bremer Justizsenators Wolfgang Kahrs (1971 bis 1987) und der ehemaligen Bremer Bildungs-Senatorin Bingfriede Kahrs (1995 - 1999). Nachdem er seinen Wunsch geäußert hatte, zum Wehrbeauftragten im Bundestag ernannt zu werden, seine Partei sich allerdings für Eva Högl entschied, legte Kahrs sein Bundestagsmandat und alle politischen Ämter Anfang September 2020 nieder.

Cum-Ex-Skandal: Die Rolle von Olaf Scholz

Gerade in den vergangenen Tagen steht wieder einmal Bundeskanzler Olaf Scholz im Fokus der Ermittler. Medien berichten, dass die E-Mails des Kanzlers im Zuge der Ermittlungen ausgewertet werden. Auch die bei seinem Parteikollegen Johannes Kahrs gefundene größere Bargeldsumme bringt den ehemaligen Ersten Bürgermeister der Hansestadt, genauso wie das heutige Stadtoberhaupt und damaligen Finanzsenator Peter Tschentscher in Erklärungsnöte.

Scholz, der bereits vor den Untersuchungsausschuss geladen wurde und demnächst erneut zum Cum-Ex-Skandal aussagen soll, will sich bisher an die Cum-Ex-Geschäfte der Hamburger M. M. Warburg-Bank in seiner Zeit als Bürgermeister (2011 bis 2018) nicht erinnern. Laut Medienberichten aus dem Jahr 2020 soll sich Scholz während seiner Amtszeit mehrmals mit Christian Olearius, getroffen zu haben. Auch soll Scholz eine Steuerrückforderung der Finanzbehörde über 47 Millionen Euro, die diese an die Warburg-Bank gestellt hatte, verjährt haben lassen.

Cun-Ex: Wie gefährlich kann der Skandal für Kanzler Scholz werden?

Fabio De Masi sieht in Kahrs das Potenzial, Kanzler Scholz zu stürzen – doch wie realistisch ist ein solches Szenario? Fakt ist – der Druck auf Scholz wird größer werden. Sein beharrliches Schweigen und die von ihm immer wieder angeführten Erinnerungslücken, dürften nicht mehr ausreichen. Die Opposition wittert längst einen größeren Skandal als angenommen und wird den Druck auf den Kanzler erhöhen.

Auch Scholz Rolle in dem HSH Nordbank-Skandal – die Bank, musste zuletzt rund 126 Millionen Euro Steuern zurückzahlen – ist weiterhin fragwürdig und dürfte in im Zuge der CumEx-Affäre erneut in der Öffentlichkeit diskutiert werden, vermutet n-tv. Scholz hatte die privatisierte Landesbank Hamburg / Schleswig-Holstein lange Zeit mitzuverantworten. Weitere Unannehmlichkeiten für Scholz dürften in nächster Zeit an die Öffentlichkeit kommen. So arbeitet etwa der Journalist und Autor Oliver Schröm an einem Buch („Die Akte Scholz. Der Kanzler, das Geld und die Macht.“), das brisante Details erhalten soll.

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