1. 24hamburg
  2. Hamburg

Schlagermove 2022 in Hamburg: Benehmt euch diesmal endlich!

Erstellt:

Von: Jan Knötzsch

Kommentare

Nach zwei Jahren Corona-Pause steigt der Schlagermove 2022 in Hamburg. Des einen Freud ist dabei des anderen Leid. Ein Appell ans Party-Volk.

Hamburg – Fluch oder doch Segen? Himmlische Zustände oder aber die absolute Hölle? Coole Party oder einfach nur unsinniges (Wild-)Urinieren ohne Rücksicht auf andere? Schlager-Liebe oder die Feiernden lieber einfach schlagen und vertreiben? Der Schlagermove 2022 (hier gibts alle Infos) spaltet Hamburg in zwei Lager. Wieder einmal. Hüben die, die richtig Bock auf Party, schrille Outfits und Alkohol bis zum Abwinken haben. Drüben die, die es einfach leid sind. Die an diesem Tag abhauen. Ihre Heimat St. Pauli und die Reeperbahn meiden wie der Teufel das Weihwasser. Diejenigen, denen schon vorm Schlagermove 2022 gerne einmal spontan ein „Ich hab‘ keinen Bock auf den Sch**ß“ entfährt.

Ist dieser Schlagermove 2022 nötig? Oder überflüssig? Ein Kommentar. Und zugleich auch ein Appell ans Party-Volk.

Veranstaltung:Schlagermove 2022
Datum Schlagermove 2022:1. bis 3. Juli 2022
Start des großen Umzugs:2. Juli 2022, 15 Uhr
Erstauflage:1997

Schlagermove: Eine Veranstaltung, mit der nie alle einverstanden sein werden – auch nach dem Schlagermove 2022 nicht

Zwei Jahre lang war Ruhe. Wegen Corona. Nichts mit schrillen Outfits, kein „Hossa“, kein wildes Schunkeln. Keine Party, keine alkoholische Druckbetankung – egal ob nun bei Sonne oder Regen, wie er in der Hansestadt Hamburg ja angeblich so viel öfter vorkommt als in anderen Städten –, keine ausgelassene Stimmung. Für diejenigen, die den Schlagermove schätzen und lieben gelernt haben, eine Zeit der Qual.

Verbunden mit der Frage: Wann dürfen wir endlich wieder losziehen und uns zwischen Heiligengeistfeld, Reeperbahn, Hafenstraße und Co. so zeigen, wie wir es gewohnt sind – ausgelassen, freudig gestimmt, bunt, schrill, laut!? Für diejenigen, die mit dem Schlagermove nichts am Hut haben, teilweise sogar Hass gegen ihn entwickelt haben, fraglos die schönste Zeit und eine Erlösung von allen Qualen.

Die Hamburger Reepbahn ist beim Schlagermove mit tausenden Menschen gefüllt.
Auch beim Schlagermove 2022 wird der Stadtteil St. Pauli wieder prall gefüllt sein. © Lars Berg/imago

Klar, auf der einen Seite heißt es, man soll die Feste feiern, wie sie fallen. Vielleicht gerade nach der Corona-Pandemie mehr denn je erforderlich, um wieder im „normalen“ Leben anzukommen. Gelitten, da machen wir uns nichts vor, haben wir unter der Pandemie, dem Coronavirus selbst und den Entscheidungen des Hamburger Senats um Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) alle. Ziemlich lang und ziemlich viel. Umso logischer ist es, dass all diejenigen, die zwei Jahre lange eben genau das, was sie am liebsten tun, nicht tun dürfen, nun heiß sind. Heiß auf den Schlagermove 2022. Auf ausgelassene Party-Stimmung ohne Grenzen. Darauf, endlich sich und das Leben feiern zu dürfen. Ohne Einschränkungen.

Schlagermove 2022: Party ohne Hemmungen - und keiner denkt unter Alkoholeinfluss noch an die Anwohner

Aber genau das ist das Problem. Nicht nur beim Schlagermove 2022. Sondern seit je her, wenn der Schlagermove auf St. Pauli unweit des Millerntorstadion, der Heimat des FC St. Pauli, stattfindet: die Grenzenlosigkeit. Die fehlenden Beschränkungen. Oder sollte man besser sagen: die Hemmungslosigkeit der Feiernden? Die Rücksichtslosigkeit derer, die wie ein Mob über den Stadtteil St. Pauli herfallen und ihn hinterlassen, als sei er – zumindest für diesen einen Tag – ein völlig rechtsfreier Raum, in dem man tun und lassen kann, was man will. Etwa sein lassen – das tun nur die wenigsten. Dabei wäre es so schön, wenn es mehrere täten. Und eigentlich auch so einfach. Etwas tun hingegen – da wird auch beim Schlagermove 2022 kaum einer Hemmungen haben.

Im Detail heißt dies: Sie werden einfach wieder unterwegs sein. Die Menschen, die sich Hass und Unmut und bisweilen auch mehr als böse Worte der Anwohner auf St. Pauli anhören dürfen. Die aber genau dies wenig schert. Die Rede ist von den auch beim Schlagermove 2022 sicher wieder en massé vertretenen Menschen der Gattung „Wildpinkler“. Jene Spezies, die trotz immer wieder zu Dutzenden, gefühlt sogar zu hunderten, aufgestellten mobilen Toiletten in etwa so viel wertschätzen wie die HSV-Fans die Fangemeinde des FC St. Pauli. Um den Ort, an dem man sein Geschäft verrichten soll, machen viele einen Bogen. Ja, klar: Meist reicht die Zahl der Toiletten nicht aus, wenn sich bis zu 500.000 Schlagermove-Gänger treffen. Aber gibt euch das auch das Recht, einfach an Hauswände, Haustüren oder Gärten zu pinkeln?

Schlagermove 2022: St. Paulianer müssen es nicht einfach ertragen – sie pinkeln und kotzen schließlich auch nicht Fuhlsbüttel oder Winterhude voll

Klares Nein! Für diejenigen, die auf St. Pauli wohnen, ist es nur logisch, dass sie am Tag des Schlagermove 2022 flüchten. So wie am liebsten jedes Jahr. Menschen, die wie wild, ohne Scham, hemmungslos und leider immer noch laufen lassen, was das Zeug hält, sind ein rotes Tuch für nahezu jeden St. Paulianer. Okay, was oben in Form von Getränk rein muss, muss unten in Form von Urin auch wieder raus – ist halt der biologisch bedingte Kreislauf. Aber pinkeln, pullern oder p*ssen, wo immer Platz, Raum und Gelegenheit ist? Nö! Wer, wie der Autor dieser Zeilen auf St. Pauli lebt, der fährt ja beispielsweise auch nicht nach Alsterdorf, Neugraben, Willhelmsburg oder Fühlsbüttel, um dort einfach mal schnell ein bisschen Party zu feiern und ein bisschen mehr zu pinkeln.

Dass mancher St. Paulianer den Wildpinklern gern ein nicht liebevolles „Verp*sst euch!“ entgegenschleudern würde – nur allzu verständlich. Zumindest dann, wenn der Kopf normal tickt und nicht voll mit Alkohol ist, der irgendwann so sehr auf die Blase drückt, dass er rausmuss.

Man kann vorm Schlagermove 2022 nur eines tun: hoffen. Und beten.

Dass sich der eine oder andere an die Nase fasst und nachdenkt statt an den Hosenknopf, um sich anschließend einfach so in freier Wildbahn zu erleichtern. Benehmt euch endlich, liebe „Schlagermover“. Ein bisschen mehr Respekt, ein bisschen mehr Rücksicht. Ein bisschen weniger Alkohol, eine ein ganzes Stück höhere Hemmschwelle. Verbieten will euch keiner das Feiern (okay, mancher vielleicht doch) – aber mit Anstand.

Schagermove 2022: Ist er angesichts steigender Corona-Zahlen in Hamburg überhaupt sinnvoll?

Wer nun argumentiert, St. Pauli sei seit jeher ein Party-Stadtteil und man müsse sich der negativen Begleiterscheinungen nun einmal bewusst sein, wenn man dort hinzieht, dem sei entgegnet: ganz und gar nicht! St. Pauli-Anwohner sind wahrlich nicht zart besaitet, ertragen schon an genügend Wochenenden das Party-Volk und vor allem das, was es hinterlässt: Müll, Dreck, und Exkremente. Und wie schon gesagt: Wir kommen ja auch nicht zum Urinieren nach Billstedt, Ottensen, Finkenwerder oder Winterhude.

24hamburg.de-Newsletter

Im Newsletter von 24hamburg.de stellt unsere Redaktion Inhalte aus Hamburg, Norddeutschland und über den HSV zusammen. Täglich um 8:30 Uhr landen sechs aktuelle Artikel in Ihrem Mail-Postfach – die Anmeldung ist kostenlos, eine Abmeldung per Klick am Ende jeder verschickten Newsletter-Ausgabe unkompliziert möglich.

Und was man angesichts der steigenden Inzidenzen in Hamburg sicher auch fragen darf: Muss dieser Schlagermove 2022 sein? Schießt man sich damit nicht selbst ins Bein und kreiert bewusst einen Superspreader-Event der Spitzenklasse? Jede Wette: Die Zahlen werden nach dem Schlagermove 2022 in die Höhe gehen. Ganz sicher. Sommer hin, Sommer her. Und die Massenzusammenkunft mit dem Namen Schlagermove 2022 wird daran nicht unbeteiligt sein.

Allem Unmut zum Trotz: Feiert schön, liebe Schlagermove-Gemeinde. Aber benehmt euch diesmal endlich!

Auch interessant

Kommentare