„Die Anlagen sind dann Schrott“: Welche Firmen trifft die Gaskrise in Hamburg zuerst?
Mit einem 25-Punkte-Plan will Hamburg der Gaskrise trotzen, reicht das? Der Hamburger Industrie könnte es im Winter an den Kragen gehen – Abschaltungen drohen.
Hamburg – Der Durchschnittspreis für eine Kilowattstunde Gas lag Anfang September für Neukunden bei circa 21,75 ct/kWh. Schuld an den hohen Preisen ist nach wie vor der Ukraine-Krieg, in dessen Folge die Gaslieferungen von Russland nach Deutschland immer weiter reduzierte. Hamburger Verbrauchern, aber auch der Industrie, drohen irreparable Schäden.
Stadt: | Hansestadt Hamburg |
Fläche: | 755,2 km² |
Erster Bürgermeister: | Peter Tschentscher |
Bevölkerung: | 1,841 Millionen (Stand: 2019) |
Gaspreise so teuer wie noch nie – helfen Maßnahmen ausreichend?
Im September 2021 lag der durchschnittliche Gaspreis für Neukunden bei einem Jahresverbrauch von 20.000 kWh noch bei knapp 6,5 Cent pro Kilowattstunde, aktuell sind es laut dem Vergleichsportal Verivox satte 21,75 ct/kWh. Da sich eine solche Preissteigerung viele Haushalte nicht mehr leisten können, versuchte die Bundesregierung zu helfen. Zunächst ging es jedoch erst einmal in die falsche Richtung: Gaskunden zahlen durch die Gasumlage nochmals 2,419 Ct/kWh mehr, die Stadt Hamburg prüft jedoch einen Verzicht darauf.

Doch es gibt gleichermaßen positive Schritte: Bis März 2024 soll die Mehrwertsteuer auf Gas von 19 auf 7 Prozent sinken – dadurch lässt sich immerhin die Gasumlage einigermaßen ausgleichen. Nachdem Gaslieferant Gazprom seine Lieferung (angeblich aufgrund technischer Mängel) zumindest vorübergehend einstellt, geraten immer mehr Hamburger Verbraucher und insbesondere die Hamburger Industrie in Bedrängnis. Wie wird sich der Gaspreis in den kommenden Wochen und Monaten entwickeln? Die Industrie fordert schnelle Unterstützung vom Staat – sonst drohen Abschaltungen.
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„Der Senat sollte sich stärker mit den Unternehmen über die Versorgungssicherheit austauschen und zügig eine Überprüfung und Entlastung bei den Standortkosten vorantreiben“, fordert Matthias Boxberger, der Vorstandsvorsitzende des Industrieverbands Hamburg (IVH) gegenüber der dpa. Eine Gasknappheit im Winter würde der Hamburger Industrie wohl noch stärker zusetzen als Privatpersonen – droht sogar die Abschaltung einiger Werke? „Wenn manche Werke einmal aus sind, können sie nicht mehr hochgefahren werden. Die Anlagen sind danach Schrott“ zitiert die Zeit Hamburgs Umweltsenator Jens Kerstan.
Die Gaskrise betrifft auch Hamburger Unternehmen – was ihnen jetzt droht
In der Hamburger Industrie macht sich Panik breit, der Notfallplan der Bundesregierung befindet sich schon seit Ende Juni 2022 in der Alarmstufe. Heißt: Die Lage ist angespannt und eine weitere Verschlechterung der Situation kann nicht ausgeschlossen werden. Momentan ist die Gasversorgung in Deutschland noch stabil, weil Lieferungen aus europäischen Nachbarländern die Speicher weiter füllen. Sollte Russland die Gaslieferungen an Deutschland über die Pipeline Nord Stream 1 komplett abschalten, drohen weitere Preiserhöhungen. Auch deshalb reagierte Hamburg mit einem 25-Punkte-Plan zum Gassparen.
Der Notfallplan der Bundesregierung ist in drei Stufen unterteilt: Frühwarnstufe, Alarmstufe und Notfallstufe. Die Notfallstufe wird erst dann ausgerufen, wenn Lieferausfälle zu erwarten sind, die nicht durch andere Lieferungen ausgeglichen werden können. Sollte das der Fall sein, wird die Gasversorgung rationiert. Am stärksten davon betroffen wären die größten Verbraucher der Hamburger Industrie, unter anderem wohl Stahlhersteller Arcelor Mittal und Airbus. Die Möglichkeit zur Gas-Einsparung bei der Produktion ist „nur sehr geringfügig vorhanden“ sagte ein Sprecher des Stahlkonzerns ThyssenKrupp Steel Europe.
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Ein Ansatz für die nächsten Jahre ist es, auf Flüssigerdgas (LNG) umzusteigen. Der Hamburger Hafen will in diesem Zuge ein LNG-Terminal bekommen, der Bau steht aktuell jedoch in den Sternen. Dadurch könnte eine erhebliche Menge an Gas eingespart werden, „aus Sicherheitsgründen könne bisher allerdings keine Entscheidung über die Errichtung getroffen werden.“ Bis dahin muss die Industrie selbstständig versuchen, Gas einzusparen. Matthias Boxberger vom IVH sieht die Lage überaus kritisch: „Wir müssen uns auf mindestens zwei schwierige Winter einstellen.“