Hamburg setzt aufs Bewohnerparken – nun stellt sich die Wirtschaft dagegen

Die Stadt Hamburg hat zuletzt immer neue Bewohnerparkgebiete angelegt. Das schade der Wirtschaft, sagt die Handelskammer – und stellt Forderungen.
Hamburg – Wirtschaft und Klimaschutz unter einen Hut zu bringen, ist gar nicht so einfach. Während Hamburg seit mehreren Jahren darauf drängt, fremde Autos aus dem Stadtgebiet herauszuhalten und dazu unter anderem zahlreiche Bewohnerparkgebiete ausgewiesen hat, sehen heimische Wirtschaftsvertreter ihre Arbeit dadurch massiv beeinträchtigt. An anderer Stelle kam es wiederum zum Start einer Petition: Ein Anwohner setzt sich in Winterhude für mehr Bewohnerparkplätze ein.
Allein zwischen März 2022 und März 2023 wurden sechs neue Bewohnerparkgebiete eingerichtet, unter anderem in Eimsbüttel, Eppendorf und seit dem 6. März auch in Uhlenhorst, Hohenfelde und Borgfelde. Das und die zusätzlich geplanten Gebiete führten „zu massiven Einschränkungen für Unternehmen“, heißt es vonseiten der Handelskammer. Ihr Forderungskatalog schlägt nun Kompromisse vor, um vor allem kleine und mittelständische Firmen in Hamburg beim Thema Parken zu entlasten und ihren Bedürfnissen gerecht zu werden.
Bewohnerparken in Hamburg erzürnt die Wirtschaft der Stadt
Unmittelbar nach dem Bekanntwerden des Forderungskatalogs hat die Stadt Hamburg reagiert und setzt die Ausweisung weiteren geplanten Bewohnerparkgebiete bis auf Weiteres aus und signalisierte Gesprächsbereitschaft bezüglich der Forderungen. Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne) kündigte nach den Protesten auf Nachfrage der Deutschen Presse-Agentur an, vorerst auf neue Bewohnerparkgebiete zu verzichten. „Das Papier verdient es insgesamt, dass wir uns damit intensiv beschäftigen.“ Tjarks wolle mit den Kammern und weiteren Beteiligten gemeinsam zu guten Lösungen kommen.
Handelskammer bewertet erstes Entgegenkommen des Senats positiv
Anja Zarse von der Handelskammer äußerte sich gegenüber 24hamburg.de froh, dass es nun das Bekenntnis gibt, weitere Gebiete vorerst nicht in Bewohnerparkgebiete umzustellen. „Die Behörde hat hier die Notwendigkeit erkannt, Erleichterungen für die Unternehmen zu schaffen“, sagte die Referentin für Verkehr. In einem kommenden Verbändegespräch gehe es neben möglichen Erleichterungen für Unternehmen auch darum, Druck in Richtung Berlin aufzubauen, um ortsansässigen Firmen mit Anwohnern gleichzustellen.
Die grundsätzliche Bereitschaft, gemeinsam Änderungen an der gegenwärtigen Situation anzustreben, bewertete Anja Zarse durchaus positiv. Inwieweit der Forderungskatalog dann umgesetzt wird, werden die Verhandlungen zeigen müssen.
Rund 66.800 Unternehmen und damit 39 Prozent aller der Handelskammer Hamburg seien von den Park-Plänen der Stadt, die insbesondere für Gebiete innerhalb des Rings 2 gelten, betroffen, heißt es in einer Mitteilung der Handelskammer. Kostspielige Ausnahmegenehmigungen für Unternehmen seien nicht akzeptabel, heißt es weiter. Anträge dauern mitunter sehr lange und kosteten die drei- bis vierfache Gebühr eines Bewohnerparkausweises, zudem sei es nicht nachvollziehbar, welche Kriterien für eine Genehmigung erfüllt sein müssten. Nach Angaben der Stadt kostet eine Ausnahmegenehmigung für ein Jahr 250,30 Euro – wird sie abgelehnt, sind immer noch 187,50 Euro fällig. Anwohner werden bei einer Online-Meldung mit 65 Euro zur Kasse gebeten.
Bewohnerparken für Hamburger Firmen mitunter existenzbedrohend
Für viele Betriebe führe der aktuelle und seit 2015 eingeschlagene Kurs zu teils existenzbedrohenden Einschränkungen, die dem Ziel, eine attraktive Innenstadt zu erhalten oder zu schaffen, entgegenstünden. Klimaneutralität bis zum Jahr 2040 müsse allerdings auf praktikablen und nutzerfreundlichen Lösungen beruhen. Anwohner und Firmen dürften nicht gegeneinander ausgespielt werden. Vor diesem Hintergrund seien die zehn Forderungen der Wirtschaft an den Hamburger Senat zu verstehen.
Anwohnerparken: Forderungen auf einen Blick
Hamburg müsse nach Forderungen der Wirtschaft auf Bundesebene auf ein „Anliegerparken“ hinwirken, bei dem Bewohner und Firmen gleichberechtigt in der Straßenverkehrsordnung geführt werden. Bis zu einer Änderung der Straßenverkehrsordnung sollten keine weiteren Bewohnerparkgebiete mehr ausgewiesen werden.
Bis zur Änderung hin zu einem „Anliegerparken“ sollte zudem der Ermessensspielraum der Verwaltung bei der Beantragung von Ausnahmegenehmigungen voll ausgeschöpft werden. Die Bearbeitung dieser Verfahren wiederum müsse deutlich beschleunigt und transparenter gestaltet werden.
Die Hamburger Wirtschaft fordert darüber hinaus die Einführung eines flächendeckenden Wochentickets und einer entsprechenden Umrüstung der Parkscheinautomaten, die den Kauf von 30-Euro-Tickets möglich machen.
Um den Parkdruck zu reduzieren, sollte die Politik grundsätzlich mehr Park- und Haltemöglichkeiten außerhalb des öffentlichen Raumes schaffen – unter anderem mit Blick auf nächtliches Parken, z.B. für Schichtarbeiter in Hamburg. Aber auch Parkmöglichkeiten für Kurzzeitparker und das ausreichende Schaffen von Parkplätzen im Zuge neuer Wohnungen seien notwendig.
Eine Verringerung von Parkflächen in ihrer jetzigen Form sei nicht akzeptable. Attraktive Alternativen zum Fahren eines eigenen Autos, zum Beispiel im Hamburg-Takt im ÖPNV, müssten laut der Handelskammer angebotsorientiert umgesetzt sein, bevor der Parkraum schrittweise verringert wird – nicht umgekehrt. P+R-Parkplätze in der Nähe zu Autobahnabfahrten und attraktive Umsteigebeziehungen zum ÖPNV könnten mehr Menschen dazu bewegt werden, ihr Fahrzeug am Standrand zu parken und damit Parkplätze für vor Ort ansässige Unternehmen und Bewohnende freizuhalten.
Zudem fordert die Handelskammer ein digitales Parkflächenmanagement und eine smarte Integration des ruhenden Verkehrs „in den urbanen Alltag“. In den neuen Quartieren Grasbrook und Oberbillwerder sei dies in Form von sogenannten Mobility-Hubs bereits klar erkennbar.
Kritik an dem bisherigen Kurs von Peter Tschentscher (SPD) und seiner Regierung kommt unter anderem auch von der CDU: „Der fortschreitende Abbau von Parkplätzen und die durch das Anwohnerparken zusätzlich erzeugte Verknappung des Parkraums schadet der Wirtschaft und verärgert immer mehr Menschen in unserer Stadt“, pflichtete der CDU-Oppositionsführer in der Hamburgischen Bürgerschaft, Dennis Thering, der Handelskammer bei.
Zuletzt hatte die CDU eine Umfrage zum Bewohnerparken in Hamburg infrage gestellt. FDP-Vize Sonja Jacobsen nannte die Forderungen der Handelskammer nachvollziehbar. „Die abschreckend hohen Kosten für betriebliche Sondergenehmigungen vertreiben angestammte Gewerbetreibende aus der Stadt ins Umland.“ (kom, mit Material der dpa)