KZ Stutthof-Prozess: Revision eingelegt – Urteil nicht rechstkräftig
Revision gegen das Urteil im Prozess gegen die frühere Sekretärin des KZ Stutthof, Irmgard F., eingelegt. Der Urteilsspruch ist damit nicht rechtskräftig.
Update vom 29. Dezember 2022: Gegen das Urteil im Stutthof-Prozess, dem wahrscheinlich letzten Prozess zur Aufarbeitung von NS-Verbrechen in Deutschland, haben sowohl die Nebenkläger, als auch die Anwälte der Angeklagten Irmgard F. Revision eingelegt. „Das Urteil ist damit nicht rechtskräftig“, teilte das Landgericht Itzehoe am Mittwoch mit. Die 97-jährige ehemalige KZ-Sekretärin war am vergangenen Dienstag zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren wegen Beihilfe zum Mord in mehr als 10.000 Fällen verurteilt worden. Jetzt soll der Bundesgerichtshof prüfen, ob ein Verfahrensfehler vorliegt. Die Verteidiger hatten einen Freispruch für ihre Mandantin gefordert, da ihrer Meinung nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden konnte, dass Irmgard F. von dem systematischen Massenmord im KZ Stutthof gewusst habe. Die Angeklagte wird nicht erneut vor Gericht erscheinen müssen, wie mehrere Medien übereinstimmend berichten.
Update vom 20. Dezember 10:26 Uhr: Wegen Beihilfe zum Mord in mehr als 10.500 Fällen hat das Landgericht Itzehoe eine ehemalige Sekretärin im NS-Konzentrationslager Stutthof bei Danzig schuldig gesprochen. Die Strafkammer verurteilte die 97 Jahre alte Irmgard F. am Dienstag zu einer Strafe von zwei Jahren auf Bewährung.
Erstmeldung vom 20. Dezember 2022 um 9:45 Uhr: Itzehoe – Einer der letzten Verfahren in Zusammenhang mit NS-Kriegsverbrechen in Deutschland wird heute vor dem Landgericht im schleswig-holsteinischen Itzehoe mit dem Urteilsspruch der dortigen Richter zu Ende gehen. Die Angeklagte Irmgard F. (97), ehemaliges Mitglied der Waffen-SS und Sekretärin im KZ Stutthof, musste sich wegen Beihilfe zum Mord in mehr als 11.000 Fällen verantworten. Vor Prozessbeginn hatte die Angeklagte bundesweit durch ihre spektakuläre Flucht aus einem Pflegeheim für Aufsehen gesorgt.
Name des Konzentrationslagers: | Stutthof |
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Ort: | Stutthof bei Danzig, Polen |
In Betrieb: | 2. September 1939 bis zum 9. Mai 1945 |
Inhaftierte und Tode | 110.000 Inhaftierte, 65.000 starben |
KZ Stutthof: Zwei Jahre Jugendstrafe auf Bewährung gefordert
Die Staatsanwaltschaft hat eine Jugendstrafe von zwei Jahren auf Bewährung beantragt. Die Verteidigung hat Freispruch gefordert. Die 15 Nebenklagevertreter haben sich zum großen Teil der Strafforderung der Staatsanwaltschaft angeschlossen. Einer von ihnen hat sich jedoch gegen eine Bewährungsstrafe ausgesprochen. Dies sei das falsche Signal, hieß es.
Seit Beginn des Prozesses am 30. September 2021 hat das Gericht acht der zeitweise 31 Nebenkläger angehört, meist über eine Videoverbindung in die USA, Israel oder Polen. Sie berichteten vom Leiden und massenhaften Sterben in Stutthof. Wichtigster Zeuge war jedoch der historische Sachverständige Stefan Hördler, der sein Gutachten in 14 Sitzungen vorstellte. Die Verteidigung stellte einen Befangenheitsantrag gegen ihn, den das Gericht aber ablehnte.

Irmgard F.: Flucht vor Prozessbeginn – dann Schweigen
Die Angeklagte wollte sich anfangs dem Verfahren nicht stellen. Am ersten Verhandlungstag verschwand sie frühmorgens aus ihrem Seniorenheim in Quickborn (Kreis Pinneberg). Die Polizei griff sie Stunden später auf einer Straße in Hamburg auf. Das Gericht erließ einen Haftbefehl. Die damals 96-Jährige verbrachte fünf Tage in Untersuchungshaft und musste danach wochenlang ein elektronisches Armband tragen.
Vor Gericht wirkte Irmgard F. rüstig und deutlich jünger. Fast bis ganz zum Schluss äußerte sie sich nicht zu den Vorwürfen, obwohl die Nebenklagevertreter sie dazu immer wieder aufforderten. Erst am 40. Verhandlungstag brach sie ihr Schweigen: „Es tut mir leid, was alles geschehen ist“, sagte sie in ihrem letzten Wort. Die 97-Jährige fügte hinzu: „Ich bereue, dass ich zu der Zeit gerade in Stutthof war. Mehr kann ich nicht sagen.“
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KZ Stutthof-Prozess: Möglicherweise letzter NS-Prozess in Deutschland
Es ist möglicherweise der letzte Prozess in Deutschland wegen NS-Verbrechen. Ende Juni 2022 hatte das Landgericht Neuruppin einen ehemaligen Wachmann des KZ Sachsenhausen wegen Beihilfe zum Mord an Tausenden Häftlingen zu fünf Jahren Haft verurteilt. Fünf weitere Ermittlungsverfahren gegen mutmaßliche NS-Täter sind nach Angaben der Zentralstelle in Ludwigsburg (Baden-Württemberg) bei den Staatsanwaltschaften anhängig, davon jeweils eins bei den Behörden in Erfurt, Coburg und Hamburg sowie zwei in Neuruppin.
Die Justiz muss in diesen Fällen ermitteln, weil es um Beihilfe zum Mord geht. 1979 hatte der Bundestag die Verjährung von Mord und Beihilfe zum Mord endgültig aufgehoben. Das bedeutet, dass sich Tatverdächtige bei Verhandlungsfähigkeit bis ins hohe Alter einem Verfahren stellen müssen. (mit Material der DPA) *TRANSPARENZHINWEIS: Dieser Artikel wurde nach Erscheinen um neue Informationen ergänzt