RS-Virus in Deutschland: Wie gefährlich es ist – und wie man sich schützen kann
In Deutschland grassiert aktuell wieder das RS-Virus und stellt besonders Kinderkliniken vor große Probleme – auch, weil es noch keine Impfung gibt.
Stuttgart – Das Coronavirus ist in der medialen Berichterstattung weiter ein großes Thema – zwar gehen die Infektionszahlen auch in Deutschland zurück, neue Virusvarianten sind für Wissenschaftler aber weiter ein Grund zur Sorge. Doch Covid-19 ist seit einiger Zeit nicht das einzige Virus, das in Deutschland Probleme verursacht. Gerade Kinder infizieren sich aktuell zunehmend mit RSV. Die Abkürzung steht für Respiratorische Synzytial-Virus – ein Erreger, der Atemwegserkrankungen verursacht.
Kinder erkranken an RS-Virus: Mediziner spricht von „Katastrophenzuständen“
RSV-Infektionen verlaufen oft harmlos, doch gerade für Kleinkinder und Säuglinge kann das RS-Virus lebensbedrohlich sein. Daher kommt es gerade jetzt vermehrt zu Krankenhauseinweisungen, was viele Kliniken in Deutschland vor große Probleme stellt. In den ersten Bundesländern werden die Betten knapp. In Bayern, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen gebe es schon jetzt kaum mehr ein freies Kinderbett in Kliniken, sagt Florian Hoffmann, Generalsekretär der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi), der Deutschen Presse-Agentur (DPA).
Berichten von BR24 zufolge spricht Hoffmann schon jetzt von „Katastrophenzuständen“. In Notaufnahmen müssten Familien mit kranken Kindern auf einer Pritsche schlafen. Für Deutschland sei das ein Armutszeugnis, sagt der Mediziner und ergänzt: Viele mit dem RS-Virus infizierte Kinder in Kliniken seien schwer krank und müssten beatmet werden. Doch welche Krankheiten verursacht das Virus genau und wie kann man sich schützen? BW24 hat sich über den Erreger informiert.
Name | Respiratorische Synzytial-Virus (RSV) |
Art | Humanes Respiratory-Syncytial-Virus |
Familie | Pneumoviridae |
Gattung | Orthopneumovirus |
Klasse | Monjiviricetes |
Das RS-Virus in Deutschland: Symptome und Therapie – die wichtigsten Fakten
RS-Virus – ein Erreger, der gerade für Kleinkinder gefährlich ist
Das Respiratorische Syncytial-Virus ist ein Erreger, der primär bei Säuglingen und Kindern unter drei Jahren akute und oft schwere Atemwegsinfekte verursacht. Auch ältere Kinder und Erwachsene können sich mit dem RS-Virus infizieren, haben aber oft nur milde Symptome, die denen einer Grippe sehr ähnlich sind. Die Übertragung erfolgt in erster Linie mittels der Tröpfcheninfektion von einer infektiösen Person auf eine Kontaktperson.
Die Inkubationszeit beträgt im Schnitt fünf Tage. Das Symptomspektrum reicht von einer einfachen Atemwegsinfektion bis zu einer schweren beatmungspflichtigen Erkrankung der unteren Atemwege. Schwere Infektionen müssen somit in einer Klinik behandelt werden. Leichte oder asymptomatische Infektionen werden ambulant behandelt und müssen oft nicht gesondert therapiert werden – etwa mit Medikamenten.
Quelle: Robert Koch-Institut (RKI)
Wie bei allen viralen Infektionen können bei RSV-Infizierten lediglich die Symptome behandelt werden. Gegen Schmerzen oder Fieber werden etwa Wirkstoffe wie Ibuprofen oder Paracetamol verabreicht. Gerade das Zweitgenannte ist bei kleineren Kindern das Mittel der ersten Wahl. Ob sich eine Person mit RSV infiziert hat, stellt ein Arzt nach einer Anamnese fest. Die vier folgenden Symptome sind nach SWR-Informationen gerade bei Kindern typisch:
- Erschwerte Atmung, manchmal mit pfeifenden Geräuschen
- Fieber
- Blasse Hautfarbe und Trinkschwäche
Kinder vor RS-Virus schützen: bisher keine Impfung – nur Antikörper-Therapie
Wie die BILD berichtet, sind auch Husten und Erkrankungen der Atemwege Symptome, die das RS-Virus verursachen kann. Solche Erkrankungen der Atemwege – etwa Bronchitis – können wiederum eine Lungenentzündung begünstigen. Sollten Eltern bei ihren Kindern die Symptome beobachten, ist ein Arztbesuch zu empfehlen – speziell bei Kindern unter drei Jahren. In einer Praxis kann dann ein PCR- oder Schnelltest Gewissheit bringen.
Genau wie bei Corona ist die allgemeine Hygieneetikette die effektivste Schutzmaßnahme. Medikamente oder eine Impfung gegen das RS-Virus gibt es bislang nicht. Doch kleine Hochrisikopatienten, für die bei einer Infektion Lebensgefahr besteht, können passiv immunisiert werden. Das bedeutet, sie bekommen Antikörper verabreicht, die speziell gegen das RS-Virus gezüchtet wurden. Der Nachteil einer passiven Immunisierung ist, dass die Antikörper nur etwa 20 Tage im Blut bleiben.
RSV-Welle in Deutschland: Arzt spricht über mögliche Ursache – Immunlücke?
Hochrisikopatienten müssen somit jeden Monat neu passiv immunisiert werden. Die Kosten für die Therapie richten sich nach dem Körpergewicht und liegen Berichten der BILD zufolge zwischen 700 und 2.000 Euro pro Spritze. Daher ist diese Form der Prävention für einen Großteil der Kinder wenig sinnvoll. Zur Hochrisikogruppe zählen etwa kleinere Kinder mit Herz- oder Lungenerkrankungen sowie zu früh geborene Babys. Für gesunde Kleinkinder ist die passive Immunisierung weniger geeignet.
Warum sich aktuell so viele Kinder in Deutschland mit RSV infizieren, ist nicht abschließend geklärt. Kinderarzt Robin Kobbe vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) vermutet, dass die Vorsichtsmaßnahmen in der Corona-Pandemie ein Grund sind. Im Gespräch mit tagesschau.de spricht Kobbe von einer „immunologischen Lücke“. Maßnahmen wie Maske tragen oder Abstände hätten dazu geführt, dass das Immunsystem weniger trainiert ist.
Facebook-User geben Corona-Maßnahmen die Schuld, Virologin widerspricht
Eine Erklärung, die in der Facebook-Community viel Anklang findet. „Kein Wunder, bei diesen runter gefahrenen Immunsystemen“, schreibt dazu eine Nutzerin. Vielfach wird deshalb auch Kritik an den Corona-Schutzmaßnahmen laut – diese hätten mehr Schaden angerichtet, als sie Nutzen hatten, lautet der Vorwurf. Dem widerspricht die Virologin Isabella Eckerle auf Twitter: „Es gibt kein ‚Infektions-Konto‘, das man abarbeiten muss, damit man am Ende des Jahres bei null ist.“
Ungeachtet der Ursache beschäftigt viele Mediziner aber eher die Frage, wie man jetzt reagieren und die Kliniken entlasten kann. Fest steht, dass gerade bei schweren Verläufen keine ambulante Behandlung möglich ist – erst recht nicht, wenn eine Beatmung erforderlich ist. Wie tz.de berichtet, musste Anfang November auch Bushidos Frau Anna-Maria Ferchichi mit ihrer Tochter in eine Klinik, Diagnose RS-Virus.
US-Pharmakonzern testet RSV-Impfstoff, der auch Neugeborene schützen soll
Und auch im Ausland kämpft man mit RSV. Berichten von fr.de zufolge hat Frankreich den Notfallplan Bronchiolitis-Epidemie mit Blick auf das RS-Virus ausgerufen. Hoffnung, zumindest für künftige RSV-Wellen, macht ein neuer Impfstoff des US-Pharmakonzerns Pfizer. Das Unternehmen teilte kürzlich mit, dass ein RSV-Impfstoff für Schwangere erfolgreich getestet wurde, der auch das neugeborene Kind mit schützt.
Unklar ist noch, wann ein möglicher RSV-Impfstoff zugelassen wird – für die aktuelle Welle wäre es aber ohnehin zu spät. Mit Blick auf die RS-Welle empfehlen viele Kinderärzte aber, auch Schul- und Kindergartenkinder schon gegen Influenza impfen zu lassen, berichtet die Tagesschau. Länder wie Finnland, die Slowakei oder Großbritannien würden schon auf eine Immunisierung setzen – auch, um das Gesundheitssystem nicht noch mehr zu belasten.